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Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1929, 4. Abhandlung): Gletscherbeobachtungen am Vadret Lischanna (Unterengadin) — Berlin, Leipzig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.43577#0005
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Gletscherbeobachtungen am Vadret Lischanna (Unterengadin).

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haben. Denn es waren dort kaum Spalten erkennbar. Die Zerstörung
alter Scherflächen und ihre Ersetzung durch neue würde sich in einem
Gletscher von größerer Weglänge und unregelmäßigerer Form des Unter-
grundes noch viel vollständiger vollziehen.
Durch die Verbiegung und Verwerfung der Scherflächen erklärt es
sich nun auch, daß weiter im Norden die Oberfläche der tieferen Teile des
Gletschers ganz merkwürdige kreisförmige und elliptische Figuren auf-
weist, die besonders von oben gesehen sehr auffällig waren. Es sind die
Durchschnitte der Gletscheroberfläche mit den zu Schüsseln verbogenen
Scherflächen.
Bei der Bedeutung, die die Phillipp sehen Beobachtungen nicht nur
für die Mechanik der Gletscherbewegung, sondern auch für die Bewegung
erstarrender Schmelzflüsse haben1), schien es mir richtig, meine durch
einen glücklichen Zufall zustande gekommenen Feststellungen kurz
wiederzugeben.
Übrigens sah ich bei der dritten Traversierung des Gletschers von
dem Lais della Fuorcla nach NNW, daß der Vadret del Piz Dimmez
in den östlichsten der drei Lais dell’Aua ebenfalls mit einer ähnlichen
Wand abbricht. Ich konnte aber leider nicht mehr zurück, da die Zeit
zu vorgeschritten war und ich noch an demselben Nachmittag den Piz
Lischanna besteigen mußte.

*) H. Philipp, Beitrag zur Kenntnis der Bewegungsvorgänge in hochvis-
kosen geologischen Flüssigkeiten. Zentralblatt f. Min. 1921. S. 679 — 687.
H. Cloos (Bau und Bewegung der Gebirge in Nordamerika, Skandinavien
und Mitteleuropa, Berlin, Bornträger 1928), weist solche Scherflächen in den
Plutonen nach und zitiert sie aus Untersuchungen von R. Balk. Er nennt sie
Randaufschiebungen (S. 257 — 259). Aber auch seine ,,Zugklüfte“ könnte man
hierher rechnen. Sagt er doch von ihnen wörtlich: „Die Zugwirkung, welche sie
öffnet, entspringt aus der Verzögerung, welche der Massenaufstieg von Seiten
seines Rahmens erfährt.“ (S. 253.) Das entspricht aber genau der Verzögerung,
welche das strömende Eis an seiner Unterlage oder an seinen Seitenwänden er-
leidet. Nur sind die Viskositätsverhältnisse verschieden; und es fehlt in den
Plutonen die Regelation.
 
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