P. Lenard:
2. Trägheit und Gravitation
als Eigenschaften der Energie und nur dieser.
Die stets, seit Galilei und Newton, mit steigender Genauigkeit
nachgewiesene Proportionalität zwischen Masse und Gewicht (Trägheit
und Gravitation) mußte seit Hasenöhrl sogleich die Frage nahelegen,
ob auch die nunmehr nachgewiesenen Massen der Energie der Gravi-
tation unterliegen. Diese Frage ist durch seither beigebrachte Erfah-
rung in doppelter Weise bejahend beantwortet, nämlich erstens durch
Pendeluntersuchungen an radioaktiven Körpern und zweitens durch die
bei Sonnenfinsternissen beobachteten Lichtstrahlablenkungen am Sonnen-
rand. Die ersteren Untersuchungen zeigten das massenproportionale
Gewicht der in den radioaktiven Atomen enthaltenen, bei ihrem Frei-
werden nachmeßbaren Energie.1) Die Sonnenfinsternisbeobachtungen
zeigten die Gravitation der Lichtnergie ebenfalls in dem zu erwartenden
Maße, soweit die Genauigkeit dieser Beobachtungen geht und soweit
sie wegen unvermeidlicher Mitwirkung der Sonnenatmosphäre Schlüsse
zulassen.2) Wir nehmen darnach an, daß Energiemengen E in allen
ihren Formen nicht nur die Masse E/c2 besitzen, sondern daß sie auch
einer dieser Masse proportionalen Gravitation nach Maßgabe von New-
tons Gesetz unterworfen sind. Dieses Gesetz galt ursprünglich für
Materie; es mußte demnach in letzter Linie auf je zwei Atome des
Weltalls bezogen werden. Da nun, durch die besagten Erfahrungen,
auch zwischen Energiemengen und den Atomen der Erde oder der
Sonne eine dem Gesetz entsprechende Kraft nachgewiesen ist, bleibt
nur die Frage, ob auch Energiemengen untereinander nach dem Gesetz
sich anziehen. Wir beantworten diese Frage — hypothetisch — be-
jahend, wobei wir aber nicht etwa annehmen, daß Energie ein beson-
deres, außer der Materie auch der Gravitation unterworfenes Etwas sei,
sondern wir nehmen einfach an, daß auch die Atome nur deshalb
Gravitation zeigen, weil sie Energieanhäufungen sind. Daß das letztere
von allen Atomen gilt, dies ist seit den Untersuchungen über ihr
Verhalten den Kathodenstrahlen gegenüber, wobei sie sich als Sitze
außerordentlich starker elektromagnetischer Felder zeigten3), immer nur
zunehmend sicherer geworden. Unsere Hypothese ist nicht nur mit
aller Erfahrung in Übereinstimmung, sondern sie hat auch große Ein-
b L. Southerns, Proc. Roy. Soc. A. 84, S. 325, 1911; P. Zeeman, Akad. Amster-
dam 20, S. 542, 1917.
2) Siehe P. Lenard, Ann. d. Phys. 65, S. 593, 1921 und „Äther und Uräther“
(Hirzel 1922) S. 43.
3) P. Lenard, Ann. d. Phys. 12, S. 739, 1903.
2. Trägheit und Gravitation
als Eigenschaften der Energie und nur dieser.
Die stets, seit Galilei und Newton, mit steigender Genauigkeit
nachgewiesene Proportionalität zwischen Masse und Gewicht (Trägheit
und Gravitation) mußte seit Hasenöhrl sogleich die Frage nahelegen,
ob auch die nunmehr nachgewiesenen Massen der Energie der Gravi-
tation unterliegen. Diese Frage ist durch seither beigebrachte Erfah-
rung in doppelter Weise bejahend beantwortet, nämlich erstens durch
Pendeluntersuchungen an radioaktiven Körpern und zweitens durch die
bei Sonnenfinsternissen beobachteten Lichtstrahlablenkungen am Sonnen-
rand. Die ersteren Untersuchungen zeigten das massenproportionale
Gewicht der in den radioaktiven Atomen enthaltenen, bei ihrem Frei-
werden nachmeßbaren Energie.1) Die Sonnenfinsternisbeobachtungen
zeigten die Gravitation der Lichtnergie ebenfalls in dem zu erwartenden
Maße, soweit die Genauigkeit dieser Beobachtungen geht und soweit
sie wegen unvermeidlicher Mitwirkung der Sonnenatmosphäre Schlüsse
zulassen.2) Wir nehmen darnach an, daß Energiemengen E in allen
ihren Formen nicht nur die Masse E/c2 besitzen, sondern daß sie auch
einer dieser Masse proportionalen Gravitation nach Maßgabe von New-
tons Gesetz unterworfen sind. Dieses Gesetz galt ursprünglich für
Materie; es mußte demnach in letzter Linie auf je zwei Atome des
Weltalls bezogen werden. Da nun, durch die besagten Erfahrungen,
auch zwischen Energiemengen und den Atomen der Erde oder der
Sonne eine dem Gesetz entsprechende Kraft nachgewiesen ist, bleibt
nur die Frage, ob auch Energiemengen untereinander nach dem Gesetz
sich anziehen. Wir beantworten diese Frage — hypothetisch — be-
jahend, wobei wir aber nicht etwa annehmen, daß Energie ein beson-
deres, außer der Materie auch der Gravitation unterworfenes Etwas sei,
sondern wir nehmen einfach an, daß auch die Atome nur deshalb
Gravitation zeigen, weil sie Energieanhäufungen sind. Daß das letztere
von allen Atomen gilt, dies ist seit den Untersuchungen über ihr
Verhalten den Kathodenstrahlen gegenüber, wobei sie sich als Sitze
außerordentlich starker elektromagnetischer Felder zeigten3), immer nur
zunehmend sicherer geworden. Unsere Hypothese ist nicht nur mit
aller Erfahrung in Übereinstimmung, sondern sie hat auch große Ein-
b L. Southerns, Proc. Roy. Soc. A. 84, S. 325, 1911; P. Zeeman, Akad. Amster-
dam 20, S. 542, 1917.
2) Siehe P. Lenard, Ann. d. Phys. 65, S. 593, 1921 und „Äther und Uräther“
(Hirzel 1922) S. 43.
3) P. Lenard, Ann. d. Phys. 12, S. 739, 1903.