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Lenard, Philipp; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1929, 8. Abhandlung): Über Energie und Gravitation — Berlin, Leipzig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.43581#0013
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Über Energie und Gravitation.

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Daß kinetische Energie stets relativ ist, ist alltägliche
Erfahrung. Eine bewegte Masse hat bei unverändertem Bewegungs-
zustand mehr oder weniger kinetische Energie, je nachdem man sie in
Beziehung zu mehr oder weniger verschieden bewegter Umgebung be-
trachtet; gegenüber gleichbewegter Umgebung hat sie gar keine kine-
tische Energie. Es ist aber nicht etwa die Gesamtenergie E, welche
je nach der Umgebung sich ändert, sondern die Ruhenergie e0 ist das
Relative; gegenüber der Umgebung von gleichem Bewegungszustand ist
die unveränderte gesamte Energie der bewegten Masse Ruhenergie,
und daher ist die kinetische Energie als Differenz beider (Gl. 3),
Null. Mit der Ruhenergie ist auch die Ruhmasse w0 = e0/c2 rela-
tiv.1) Schwere, Gravitation sind dagegen nicht relativ, denn sie ge-
hören der durch die nicht relative Gesamtenergie E gegebenen Ge-
samtmasse EI an.
Es ist hervorzuheben, daß Ruhmasse und Ruhenergie nicht nur
in bezug auf das Vergleichssystem, gegenüber welchem die Geschwin-
digkeiten gemessen werden, relativ ist, sondern daß diese beiden
Größen auch bei festgehaltenem Vergleichssystem sich ändern können.
Es geschieht dies, wenn die Geschwindigkeit durch Gravitationskräfte
sich ändert (vgl. das hier und im Abschn. 5 über Gravitationsenergie
Folgende).2) Befindet sich beispielsweise ein Körper in Wurfbewegung
senkrecht nach oben, so ist seine Ruhenergie (und Ruhmasse) unten
kleiner als oben. Denn man muß ihm unten mehr Energie entziehen
als oben, um ihn zur Ruhe zu bringen; am höchsten Punkte der Bahn
ist seine Ruhenergie am größten und gleich seiner längs der ganzen
Wurfbahn konstanten Gesamtenergie. Wir kommen hierauf im Ab-
schnitt 5 zurück.
Es waren ursprünglich Gesichtspunkte der Anwendung des Energie-
prinzips, vom Standpunkte des sinnlich unmittelbar Wahrnehmbaren,
sprechend der gewöhnlichen (für sehr große Geschwindigkeiten nicht brauch-
baren) Berechnungsweise der kinetischen Energie (vgl. bereits G. N. Lewis, Phil.
Mag. 16, S.715, 1908). Ein Festhalten an „Jf v2/2“ als Definition der kine-
tischen Energie könnte nur die, gegenwärtig allerdings sehr verbreitete Ver-
irrung zum Ursprung haben, an mathematische Formeln sich zu halten, statt
an Wirklichkeitsgedanken.
Daß die so aufschlußreiche Beziehung mo = V JF1— v2/c2 keineswegs die
sog. Relativitätstheorie“ zur Voraussetzung hat — was gewöhnlich angegeben
wird — habe ich früher schon eingehend gezeigt („Äther und Uräther“, 1922).
!) Die von mir früher schon hervorgehobene Massen-Relativität („Äther und
Uräther“ 1922, S. 53, 54) ist demnach nur auf die Ruhmasse zu beziehen.
2) Es gilt für diese Änderung die Gleichung n?0 — M1 — v2/c2 (vgl. S. 12
Anm. 1).
 
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