Zur Entstellung der Kare.
Im März 1929 hatte ich Gelegenheit, in den Bündener Alpen der
Schweiz eine Woche zu verleben, in welcher bei herrlichstem Wetter
gerade der Schnee der höheren Regionen zu schwinden begann. Die
dabei auftretenden Erscheinungen zeigten sich besonders deutlich in
der Region, in welcher dort die untere Zone der Kare und karartigen
Nischen liegt, also zwischen 2000 und 2500 m. Dadurch wurde ich
veranlaßt, mich nachher einmal wieder mit diesen Hohlformen zu be-
schäftigen und bin zu etwas anderer Ansicht über die Entstehung der
Kare gelangt, als sie durchweg bisher üblich war.
Alles Wichtige über diese morphologische Gruppe hat ganz kürz-
lich Günther Worm zusammengetragen (Beiträge zur Geographie und
Morphologie der Kare. Mitteil. d. Vereins für Erdkunde zu Dresden,
Jahrheft 1927, ausgegeben März 1928, S. 49—97), und es ist bedauer-
lich, daß der Verfasser tödlich verunglückte, ehe er seine Arbeit wirk-
lich abschließen konnte. So ist sie nur eine Art zusammenfassender
Einleitung geblieben, die freilich sehr nützlich ist, aber die wirklichen
Schlüsse und Ergebnisse noch nicht bringt. Aus einigen Andeutungen
habe ich die Empfindung, als wenn er sich ähnlichen Anschauungen
zugeneigt hätte, wie ich sie hier jetzt kurz vortragen will.
Die Kare und Karoide rechne ich genetisch zu den durch
Bergsturz und Bergschlipf entstandenen Hohlformen. Irgend-
ein bereits vorhandener Talschluß wird durch immer wieder nieder-
gleitende Massen derart umgestaltet, daß er endlich den Typus einer
Bergsturz- oder Abrißnische erhält.
Diesen Satz wollen wir näher begründen.
Allgemein ist darüber Einstimmigkeit vorhanden, daß Kare Tal-
anfänge verschiedener Entstehung sind, welche durch Schnee und Eis
umgeformt wurden. Solche Talanfänge können normale radiale Tal-
und Quelltrichter, also von fluviatiler Anlage oder sie mögen Aus-
rutschnischen, Verwerfungsscharten oder endlich vulkanische Krater ge-
wesen sein. Jedenfalls haben wir, was Worm mit Recht betont, ein
pränivales Stadium gehabt, zu dem nach Schwinden des Eises und
Schnees langsam das Gebilde zurückkehrt. Andererseits ist ohne Zweifel,
daß das Hauptagens für Karbildung eine zunehmende Vereisung dieser
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Im März 1929 hatte ich Gelegenheit, in den Bündener Alpen der
Schweiz eine Woche zu verleben, in welcher bei herrlichstem Wetter
gerade der Schnee der höheren Regionen zu schwinden begann. Die
dabei auftretenden Erscheinungen zeigten sich besonders deutlich in
der Region, in welcher dort die untere Zone der Kare und karartigen
Nischen liegt, also zwischen 2000 und 2500 m. Dadurch wurde ich
veranlaßt, mich nachher einmal wieder mit diesen Hohlformen zu be-
schäftigen und bin zu etwas anderer Ansicht über die Entstehung der
Kare gelangt, als sie durchweg bisher üblich war.
Alles Wichtige über diese morphologische Gruppe hat ganz kürz-
lich Günther Worm zusammengetragen (Beiträge zur Geographie und
Morphologie der Kare. Mitteil. d. Vereins für Erdkunde zu Dresden,
Jahrheft 1927, ausgegeben März 1928, S. 49—97), und es ist bedauer-
lich, daß der Verfasser tödlich verunglückte, ehe er seine Arbeit wirk-
lich abschließen konnte. So ist sie nur eine Art zusammenfassender
Einleitung geblieben, die freilich sehr nützlich ist, aber die wirklichen
Schlüsse und Ergebnisse noch nicht bringt. Aus einigen Andeutungen
habe ich die Empfindung, als wenn er sich ähnlichen Anschauungen
zugeneigt hätte, wie ich sie hier jetzt kurz vortragen will.
Die Kare und Karoide rechne ich genetisch zu den durch
Bergsturz und Bergschlipf entstandenen Hohlformen. Irgend-
ein bereits vorhandener Talschluß wird durch immer wieder nieder-
gleitende Massen derart umgestaltet, daß er endlich den Typus einer
Bergsturz- oder Abrißnische erhält.
Diesen Satz wollen wir näher begründen.
Allgemein ist darüber Einstimmigkeit vorhanden, daß Kare Tal-
anfänge verschiedener Entstehung sind, welche durch Schnee und Eis
umgeformt wurden. Solche Talanfänge können normale radiale Tal-
und Quelltrichter, also von fluviatiler Anlage oder sie mögen Aus-
rutschnischen, Verwerfungsscharten oder endlich vulkanische Krater ge-
wesen sein. Jedenfalls haben wir, was Worm mit Recht betont, ein
pränivales Stadium gehabt, zu dem nach Schwinden des Eises und
Schnees langsam das Gebilde zurückkehrt. Andererseits ist ohne Zweifel,
daß das Hauptagens für Karbildung eine zunehmende Vereisung dieser
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