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Wilhelm Salomon-Calvi:
dürfte sich in Corsika wiederfinden lassen, was mit den von Stille
und anderen vertretenen Anschauungen harmoniert. Nun geht
schon aus Ivobers Karte in der zweiten Auflage seines Buches
„Der Bau der Erde“ hervor, daß sich der nordgefaltete eigentliche
Alpenstamm, ebenso wie der im allgemeinen südgefaltete Dinariden-
stamm von Westeuropa bis nach Hinterindien verfolgen läßt. Aus
Stilles neuen Arbeiten aber ergibt sich, daß die Tonalelinie nichts
anderes ist als die westliche Fortsetzung seiner asiatischen Scheitel-
linie. Er .verfolgt diese Grenze der beiden Hauptstämme der Thetis-
gebirge vom Pamir bis nach Corsika1). Sie ist die Grenze zwischen
dem Nordstamm der eigentlichen Alpen oder „Karpathiden“ und
dem Südstamm, den „Südalpen“ oder im weiteren Sinne „Dina-
riden“. Sie wird natürlich bald als Scheitellinie, bald als Synaphie
sichtbar sein.
Habe ich mit meiner Auffassung recht, so folgt aus ihr ein
wichtiger Schluß. Man braucht nur das Stille sehe Schema in
seiner erstgenannten Arbeit auf der Tafel, Fig. 2, zu betrachten,
um sich darüber klar zu sein, daß bei einer solchen Scheitellinie
die wirksame Kraft nicht aus der emporgepreßten Geosynklinale
stammt, sondern von den Vorländern. Diese rücken wie die Backen
eines Schraubstockes gegeneinander, pressen das mobilere Material
der Geosynklinale in die Höhe und über sich selbst hinüber2).
Sind also von den besonderen Ausnahmen der Rückfaltungen ab-
gesehen, die Faltensysteme nach Norden über das Vorland ge-
quollen, wie es bei den Alpen der Fall ist, dann ist zwar die Be-
wegungsrichtung der Falten und Decken nach Norden gerichtet.
Der wirksame Druck aber, von dem man bisher gewöhnlich ange-
nommen hat, daß er gleichgerichtet sei, ist genau umgekehrt ge-
wendet. Die Alpendecken sind nach Norden übergequollen, weil
das nördliche Vorland nach Süden wanderte und preßte. Der
Himalaya ist nach Süden übergequollen, weil Gondwana von Süden
herandrängte.
Zu den Synaphien möchte ich noch folgendes bemerken.
T) Siehe auf S. 18 clie zitierte Arbeit und ferner H. Stille: Die sogenannte
Rückfaltung des Apennin. Nachr. Ges. Wiss. Göttingen. Math.-Nat. Kl. 1927.
S. 292. Hier ist der Begriff der Scheitellinien oder „Scheitelung“ wohl zuerst
definiert (S. 306).
2) Dies Bild hat schon Kober in seinem Buche „Bau der Erde“ verwendet,
obwohl er Gegner der Wegener sehen Anschauungen und Anhänger der Kon-
traktionslehre war (Aufl. I. S. 132).
Wilhelm Salomon-Calvi:
dürfte sich in Corsika wiederfinden lassen, was mit den von Stille
und anderen vertretenen Anschauungen harmoniert. Nun geht
schon aus Ivobers Karte in der zweiten Auflage seines Buches
„Der Bau der Erde“ hervor, daß sich der nordgefaltete eigentliche
Alpenstamm, ebenso wie der im allgemeinen südgefaltete Dinariden-
stamm von Westeuropa bis nach Hinterindien verfolgen läßt. Aus
Stilles neuen Arbeiten aber ergibt sich, daß die Tonalelinie nichts
anderes ist als die westliche Fortsetzung seiner asiatischen Scheitel-
linie. Er .verfolgt diese Grenze der beiden Hauptstämme der Thetis-
gebirge vom Pamir bis nach Corsika1). Sie ist die Grenze zwischen
dem Nordstamm der eigentlichen Alpen oder „Karpathiden“ und
dem Südstamm, den „Südalpen“ oder im weiteren Sinne „Dina-
riden“. Sie wird natürlich bald als Scheitellinie, bald als Synaphie
sichtbar sein.
Habe ich mit meiner Auffassung recht, so folgt aus ihr ein
wichtiger Schluß. Man braucht nur das Stille sehe Schema in
seiner erstgenannten Arbeit auf der Tafel, Fig. 2, zu betrachten,
um sich darüber klar zu sein, daß bei einer solchen Scheitellinie
die wirksame Kraft nicht aus der emporgepreßten Geosynklinale
stammt, sondern von den Vorländern. Diese rücken wie die Backen
eines Schraubstockes gegeneinander, pressen das mobilere Material
der Geosynklinale in die Höhe und über sich selbst hinüber2).
Sind also von den besonderen Ausnahmen der Rückfaltungen ab-
gesehen, die Faltensysteme nach Norden über das Vorland ge-
quollen, wie es bei den Alpen der Fall ist, dann ist zwar die Be-
wegungsrichtung der Falten und Decken nach Norden gerichtet.
Der wirksame Druck aber, von dem man bisher gewöhnlich ange-
nommen hat, daß er gleichgerichtet sei, ist genau umgekehrt ge-
wendet. Die Alpendecken sind nach Norden übergequollen, weil
das nördliche Vorland nach Süden wanderte und preßte. Der
Himalaya ist nach Süden übergequollen, weil Gondwana von Süden
herandrängte.
Zu den Synaphien möchte ich noch folgendes bemerken.
T) Siehe auf S. 18 clie zitierte Arbeit und ferner H. Stille: Die sogenannte
Rückfaltung des Apennin. Nachr. Ges. Wiss. Göttingen. Math.-Nat. Kl. 1927.
S. 292. Hier ist der Begriff der Scheitellinien oder „Scheitelung“ wohl zuerst
definiert (S. 306).
2) Dies Bild hat schon Kober in seinem Buche „Bau der Erde“ verwendet,
obwohl er Gegner der Wegener sehen Anschauungen und Anhänger der Kon-
traktionslehre war (Aufl. I. S. 132).