Wilhelm Salomon Calvi:
hat. Der leider zu früh verstorbene Paul Kessler in Tübingen
hat in einem wertvollen Buche 6) kurz vor seinem Tode Pseudo-
glazialia eingehend geschildert, so daß ich hier in erster Linie auf
seine Darstellung verweise. Aber auf einige Punkte möchte ich
doch auch selbst eingehen.
Als ich im Jahre 1925 Kalabrien durchwanderte, stieg ich von
Fiumefreddo (südlich Paola) nach NO in die Höhe 7). In einer
Meereshöhe von schätzungsweise 350—450 m fand ich plötzlich eine
ganz ungeschichtete diluviale Blockablagerung, dasselbe, was man
als boulderclay oder boulder-conglomerate bezeichnet. Für mich,
der ich jahrzehntelang in den Alpen gearbeitet hatte, war der An-
blick dem einer jungen alpinen Grundmoräne geradezu erschreckend
ähnlich. Ich sage erschreckend, weil ja in dieser geographischen
Breite und Meereshöhe die Annahme einer Grundmoräne gänzlich
ausgeschlossen war. Erst eine ganz eingehende Untersuchung zeigte,
daß es sich um die Ablagerung eines intermittierend tätigen Wild-
baches, wohl der Diluvialzeit, handelte. Wenn sich die den ganzen
Sommer über trockenen Betten der Apenninbäche plötzlich mit
riesigen Wassermassen erfüllen, reißen sie feines und ganz grobes
Material gleichzeitig mit sich fort und lagern es erst entweder im
Meere als Delta oder in einem flacheren Gelände als Schuttkegel
ab. Dabei entstehen solche, den echten Grundmoränen völlig glei-
chende Blockablagerungen, für die Trimmer, Blanckenhorn und
Kessler denn auch den besonderen Namen „Warp“ anwenden8).
Solche Warps sind die Veranlassung dazu gewesen, daß selbst alte
erfahrene Geologen9) bei uns in Deutschland Gletscher im Pfälzer
Wald, Odenwald und in anderen bestimmt nicht vergletschert ge-
wesenen Gebirgen angenommen haben. Das war bei dem früheren
Kenntnisstand verzeihlich, ermahnt aber in der Gegenwart zur
äußersten Vorsicht.
6) Das eiszeitliche Klima und seine geologischen Wirkungen im nicht
vereisten Gebiet. Stuttgart 1925 (Schweizerbart). Bes. S. 9—43. Sehr wichtige
Untersuchungen über ,,Pseudoglaziale Erscheinungen“ hat Blanckenhorn
schon 1895 in der Zeitschr. D. geol. Ges. S. 382 — 400 und 189 6, ebendort,
S. 576-581 veröffentlicht. Dort auch viel ältere Literatur.
7) Ich habe die Örtlichkeit nicht genau in Erinnerung, vermute aber,
daß es am Hange der Serra dell’Aria oder schon am Cozzo Barone Bianco war.
8) Ursprünglich von Trimmer eingeführt. Quart. Journ. Geol. Soc. 1851.
VII. S. 31. „Warp“ (englisch) eigentlich der von der Flut ausgeworfene
Schlamm.
9) Kessler führt eine große Anzahl von Beispielen an. A. a. 0. S. 9—14.
hat. Der leider zu früh verstorbene Paul Kessler in Tübingen
hat in einem wertvollen Buche 6) kurz vor seinem Tode Pseudo-
glazialia eingehend geschildert, so daß ich hier in erster Linie auf
seine Darstellung verweise. Aber auf einige Punkte möchte ich
doch auch selbst eingehen.
Als ich im Jahre 1925 Kalabrien durchwanderte, stieg ich von
Fiumefreddo (südlich Paola) nach NO in die Höhe 7). In einer
Meereshöhe von schätzungsweise 350—450 m fand ich plötzlich eine
ganz ungeschichtete diluviale Blockablagerung, dasselbe, was man
als boulderclay oder boulder-conglomerate bezeichnet. Für mich,
der ich jahrzehntelang in den Alpen gearbeitet hatte, war der An-
blick dem einer jungen alpinen Grundmoräne geradezu erschreckend
ähnlich. Ich sage erschreckend, weil ja in dieser geographischen
Breite und Meereshöhe die Annahme einer Grundmoräne gänzlich
ausgeschlossen war. Erst eine ganz eingehende Untersuchung zeigte,
daß es sich um die Ablagerung eines intermittierend tätigen Wild-
baches, wohl der Diluvialzeit, handelte. Wenn sich die den ganzen
Sommer über trockenen Betten der Apenninbäche plötzlich mit
riesigen Wassermassen erfüllen, reißen sie feines und ganz grobes
Material gleichzeitig mit sich fort und lagern es erst entweder im
Meere als Delta oder in einem flacheren Gelände als Schuttkegel
ab. Dabei entstehen solche, den echten Grundmoränen völlig glei-
chende Blockablagerungen, für die Trimmer, Blanckenhorn und
Kessler denn auch den besonderen Namen „Warp“ anwenden8).
Solche Warps sind die Veranlassung dazu gewesen, daß selbst alte
erfahrene Geologen9) bei uns in Deutschland Gletscher im Pfälzer
Wald, Odenwald und in anderen bestimmt nicht vergletschert ge-
wesenen Gebirgen angenommen haben. Das war bei dem früheren
Kenntnisstand verzeihlich, ermahnt aber in der Gegenwart zur
äußersten Vorsicht.
6) Das eiszeitliche Klima und seine geologischen Wirkungen im nicht
vereisten Gebiet. Stuttgart 1925 (Schweizerbart). Bes. S. 9—43. Sehr wichtige
Untersuchungen über ,,Pseudoglaziale Erscheinungen“ hat Blanckenhorn
schon 1895 in der Zeitschr. D. geol. Ges. S. 382 — 400 und 189 6, ebendort,
S. 576-581 veröffentlicht. Dort auch viel ältere Literatur.
7) Ich habe die Örtlichkeit nicht genau in Erinnerung, vermute aber,
daß es am Hange der Serra dell’Aria oder schon am Cozzo Barone Bianco war.
8) Ursprünglich von Trimmer eingeführt. Quart. Journ. Geol. Soc. 1851.
VII. S. 31. „Warp“ (englisch) eigentlich der von der Flut ausgeworfene
Schlamm.
9) Kessler führt eine große Anzahl von Beispielen an. A. a. 0. S. 9—14.