Vorläufiger Bericht über eine geologische Reise nach Korsika
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lieh der korsischen Massivgrenze bekannten Cipolline ursprünglich
auch im Westen vorhanden waren, aber sonst durch Abtragung ent-
fernt sind. Man kann natürlich aber auch umgekehrt das Vorkom-
men als Rest einer über das Granitmassiv von Osten her über-
brandenden Decke auffassen. Nur ist es dann sehr merkwürdig, daß
der Granit selbst nach Osten gewandert ist, während die Decken über
ihn hinüber nach Westen gewandert sein sollen. Wie das aber auch
sei, ist es für die Anhänger der östlichen Herkunft der Decken schwer
zu erklären, wieso Splitter und Schuppen des Granites in kontinuier-
licher Reihe verschuppt mit den sedimentären Decken bis fast an
die Ostküste von Korsika gewandert sind und daß Schuppen von
Granit auch in den obersten Decken auf treten. Ein „Refoulement“
um 30 km, wie es Termier und Maury offenbar unter dem starken
Eindruck der auf der Exkursion von guten Kennern der Alpen und
des Apennins festgestellten Faziesübereinstimmungen annahmen,
scheint mir mechanisch unverständlich. Dagegen ist alles ohne wei-
teres klar, wenn wir die Decken von Westen ableiten. Eine Wurzel-
zone im Apennin ist unbekannt, zwischen Elba und dem Festland
oder zwischen Elba und Korsika wogt das Meer. Aber an der Ost-
grenze des korsischen Granitmassives liegt die Zone, die in ihrem
Bau, ihrer unerhörten mechanischen Zerquetschung, Zermalmung,
Schuppung, ihrer steilen Stellung genau dem entspricht, was wir von
einer Wurzelzone erwarten. Warum also in die Ferne oder unter das
Meer schweifen, wenn „das Gute so nahe liegt“, so offen enthüllt ist?
Will man aber gar, wie Staub es tut, die korsischen Decken z. T.
aus dem Apennin, und dessen Decken von Osten („aus der Poebene“
oder aus der Adria) ableiten, so vermisse ich dort im Osten eine
Wurzelzone. Franz Baron NoPGSAhat uns eben eine wichtige Studie
„Zur Geschichte der Adria“ 17) geliefert. In ihr zeigt er, daß der
Flysch-Apennin von der im Monte Conero bei Ancona, dem Gargano
und Apulien erhaltenen apulischen Platte durch eine von Jung-
tertiär erfüllte, sehr seismenarme Depression getrennt ist (siehe
seine Fig. 1 u. 3). Die Adria ist, wie er überzeugend zeigt, keine
Geosynklinale, sondern ein Sporn der alten afrikanischen Masse,
also ein Kratogen, in dem man keine Wurzelzone eines Deckgebirges
suchen kann. Auf den adriatischen Sporn schoben sich der Apennin
von Südwesten, die „Dinariden“ von Nordosten hinauf. Daß der
kratogene Sporn zuweilen und auch gerade in der Gegenwart, unter
17) Z. d. Deutsch. Geol. Gesellsch. 84, 1932, S. 280—316.
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lieh der korsischen Massivgrenze bekannten Cipolline ursprünglich
auch im Westen vorhanden waren, aber sonst durch Abtragung ent-
fernt sind. Man kann natürlich aber auch umgekehrt das Vorkom-
men als Rest einer über das Granitmassiv von Osten her über-
brandenden Decke auffassen. Nur ist es dann sehr merkwürdig, daß
der Granit selbst nach Osten gewandert ist, während die Decken über
ihn hinüber nach Westen gewandert sein sollen. Wie das aber auch
sei, ist es für die Anhänger der östlichen Herkunft der Decken schwer
zu erklären, wieso Splitter und Schuppen des Granites in kontinuier-
licher Reihe verschuppt mit den sedimentären Decken bis fast an
die Ostküste von Korsika gewandert sind und daß Schuppen von
Granit auch in den obersten Decken auf treten. Ein „Refoulement“
um 30 km, wie es Termier und Maury offenbar unter dem starken
Eindruck der auf der Exkursion von guten Kennern der Alpen und
des Apennins festgestellten Faziesübereinstimmungen annahmen,
scheint mir mechanisch unverständlich. Dagegen ist alles ohne wei-
teres klar, wenn wir die Decken von Westen ableiten. Eine Wurzel-
zone im Apennin ist unbekannt, zwischen Elba und dem Festland
oder zwischen Elba und Korsika wogt das Meer. Aber an der Ost-
grenze des korsischen Granitmassives liegt die Zone, die in ihrem
Bau, ihrer unerhörten mechanischen Zerquetschung, Zermalmung,
Schuppung, ihrer steilen Stellung genau dem entspricht, was wir von
einer Wurzelzone erwarten. Warum also in die Ferne oder unter das
Meer schweifen, wenn „das Gute so nahe liegt“, so offen enthüllt ist?
Will man aber gar, wie Staub es tut, die korsischen Decken z. T.
aus dem Apennin, und dessen Decken von Osten („aus der Poebene“
oder aus der Adria) ableiten, so vermisse ich dort im Osten eine
Wurzelzone. Franz Baron NoPGSAhat uns eben eine wichtige Studie
„Zur Geschichte der Adria“ 17) geliefert. In ihr zeigt er, daß der
Flysch-Apennin von der im Monte Conero bei Ancona, dem Gargano
und Apulien erhaltenen apulischen Platte durch eine von Jung-
tertiär erfüllte, sehr seismenarme Depression getrennt ist (siehe
seine Fig. 1 u. 3). Die Adria ist, wie er überzeugend zeigt, keine
Geosynklinale, sondern ein Sporn der alten afrikanischen Masse,
also ein Kratogen, in dem man keine Wurzelzone eines Deckgebirges
suchen kann. Auf den adriatischen Sporn schoben sich der Apennin
von Südwesten, die „Dinariden“ von Nordosten hinauf. Daß der
kratogene Sporn zuweilen und auch gerade in der Gegenwart, unter
17) Z. d. Deutsch. Geol. Gesellsch. 84, 1932, S. 280—316.