36
P. Vogel:
galvanischen Stromes ein Schwanken des Kopfes und Körpers der
mit geschlossenen Augen dastehenden Vp. nach der Seite der Anode
auftritt. Das ist die heute als Fallreaktion bezeichnete Körper-
bewegung. Er erfuhr von seinen Vpn., daß bei solchen Versuchen
auch bestimmte Empfindungen auftreten können: als ob sie nach
der Kathode versänken oder gedreht würden, als wenn sie leichter
würden auf einer Seite. Eine Vp. hatte auch den Eindruck, als
wenn sie in einem Karussel gefahren würde, welches von der Seite
der Anode nach der der Kathode drehte. Hitzig ist erstaunt dar-
über, daß einem früheren Untersucher, der nur über das Wanken
des Körpers berichtet, diese andere Hälfte der Erscheinungen von
Schwindel entgangen sei. Allerdings hat man beim Studium der
HiTziGSchen Versuche den Eindruck, daß nicht bei allen seinen Vpn.
diese andere Hälfte des Schwindels, nämlich das Erlebnis der Schein-
bewegung auftrat, denn in seinem Berichte heißt es stets: „der
Selbstbeobachtung Fähige geben an“. Eine besondere Möglichkeit,
sich selber zu beobachten, ist also offenbar Bedingung für das Zu-
standekommen des Erlebnisses der Scheinbewegung. Der Zusam-
menhang zwischen den beiden Hälften des Schwindels ist bei Hitzig
in folgender Weise gegeben. Auf die scheinbare Empfindung hin,
daß der Kopf oder der Körper nach der Kathodenseite umfiele, voll-
zieht die Vp. eine willkürliche Bewegung nach der Seite der Anode,
um das Gleichgewicht zu erhalten. Hitzig stützt sich mit dieser
Deutung auf die Angaben seiner der Selbstbeobachtung fähigen
Vpn. Später wird die Bewegung von ihm als unbewußt-willkür-
liche — „nicht aber als eine passive“ — bezeichnet. Damit ist aus-
drücklich ihr reflektorischer Charakter abgelehnt. Die wesentlichen
Punkte dieser Deutung sind also: der Reiz löst primär eine Emp-
findung aus (die Scheinbewegung nach der einen Seite). Auf diese
reagiert die Vp. mit einer Körperbewegung nach der andern Seite.
Diese Körperreaktion ist also eine an sich normale koordinierte Be-
wegung der Vp. auf die erlebte Empfindung hin, die aber eine Sinnes-
täuschung ist. In treffender Formulierung des Sachverhalts spricht
Hitzig von der in Rede stehenden Kette von Empfindung und Be-
wegung. Bedingung und Hilfshypothese dieser Deutung ist ein
psychologisches Moment, nämlich die Fähigkeit der Selbstbeob-
achtung.
Für diese HiTziGsche Deutung entstanden aber die größten
Schwierigkeiten, als ein späterer Untersucher des galvanischen
Schwindels — Kny — folgende Befunde erhob: Kny gelang es nie-
P. Vogel:
galvanischen Stromes ein Schwanken des Kopfes und Körpers der
mit geschlossenen Augen dastehenden Vp. nach der Seite der Anode
auftritt. Das ist die heute als Fallreaktion bezeichnete Körper-
bewegung. Er erfuhr von seinen Vpn., daß bei solchen Versuchen
auch bestimmte Empfindungen auftreten können: als ob sie nach
der Kathode versänken oder gedreht würden, als wenn sie leichter
würden auf einer Seite. Eine Vp. hatte auch den Eindruck, als
wenn sie in einem Karussel gefahren würde, welches von der Seite
der Anode nach der der Kathode drehte. Hitzig ist erstaunt dar-
über, daß einem früheren Untersucher, der nur über das Wanken
des Körpers berichtet, diese andere Hälfte der Erscheinungen von
Schwindel entgangen sei. Allerdings hat man beim Studium der
HiTziGSchen Versuche den Eindruck, daß nicht bei allen seinen Vpn.
diese andere Hälfte des Schwindels, nämlich das Erlebnis der Schein-
bewegung auftrat, denn in seinem Berichte heißt es stets: „der
Selbstbeobachtung Fähige geben an“. Eine besondere Möglichkeit,
sich selber zu beobachten, ist also offenbar Bedingung für das Zu-
standekommen des Erlebnisses der Scheinbewegung. Der Zusam-
menhang zwischen den beiden Hälften des Schwindels ist bei Hitzig
in folgender Weise gegeben. Auf die scheinbare Empfindung hin,
daß der Kopf oder der Körper nach der Kathodenseite umfiele, voll-
zieht die Vp. eine willkürliche Bewegung nach der Seite der Anode,
um das Gleichgewicht zu erhalten. Hitzig stützt sich mit dieser
Deutung auf die Angaben seiner der Selbstbeobachtung fähigen
Vpn. Später wird die Bewegung von ihm als unbewußt-willkür-
liche — „nicht aber als eine passive“ — bezeichnet. Damit ist aus-
drücklich ihr reflektorischer Charakter abgelehnt. Die wesentlichen
Punkte dieser Deutung sind also: der Reiz löst primär eine Emp-
findung aus (die Scheinbewegung nach der einen Seite). Auf diese
reagiert die Vp. mit einer Körperbewegung nach der andern Seite.
Diese Körperreaktion ist also eine an sich normale koordinierte Be-
wegung der Vp. auf die erlebte Empfindung hin, die aber eine Sinnes-
täuschung ist. In treffender Formulierung des Sachverhalts spricht
Hitzig von der in Rede stehenden Kette von Empfindung und Be-
wegung. Bedingung und Hilfshypothese dieser Deutung ist ein
psychologisches Moment, nämlich die Fähigkeit der Selbstbeob-
achtung.
Für diese HiTziGsche Deutung entstanden aber die größten
Schwierigkeiten, als ein späterer Untersucher des galvanischen
Schwindels — Kny — folgende Befunde erhob: Kny gelang es nie-