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Isolde Hausser
sich nicht merklich auf die langen Fettsäurearme übertragen, die
ihrerseits nur schwachen Kräften unterworfen sind. In diesem
Falle müßten wir, im Vergleich zu den bisher untersuchten Be-
tainen, ein Gebiet anomaler Dispersion bei sehr viel kürzeren
Wellen (als 4 m) erwarten; auch müßte dieses Dispersionsgebiet
Viscositätsabhängigkeit besitzen. Beides trifft nicht zu, also schei-
det auch diese Annahme aus.
Es scheint vielmehr ein dritter Fall vorzuliegen. Auf Grund
der beiden Meßresultate, daß einmal die anomale Dispersion nicht
viscositätsabhängig ist, und daß andererseits doch ein Gebiet
anomaler Dispersion bei relativ langen Wellen eintritt, kann
unter Berücksichtigung der Erfahrungen an den Betainen folgendes
geschlossen werden: Die beiden langen Fettsäurearme ruhen im
wesentlichen im Lösungsmittel. Die kleinen Bewegungen, die sie
wohl ausführen, liefern keinen Beitrag zu der beobachteten Er-
scheinung, zumal ihre Dipolmomente nur klein sind. Die langen
Arme üben aber ihrerseits auf den kurzen, starkpolaren Arm der
Cholinphosphorsäure eine Direktionskraft aus, sodaß dieser zwar
für sich allein größere pendelartige Bewegungen ausführen kann,
aber in eine bestimmte Ruhelage strebt. Unter dem Einfluß der
Direktionskraft der langen Arme und unter der Wirkung der an-
stoßenden Kraft des äußeren elektrischen Meßfeldes pendelt daher
der kurze polare Arm mit einer definierten Eigenschwingung um
eine Ruhelage. Diese Eigenschwingung des polaren
Armes bestimmt die Lage des anomalen Disper-
sionsgebietes bei Lecithin und Sphingomyelin. Aus
diesem Grunde beobachten wir ein Gebiet anomaler Dispersion,
das in erster Näherung unabhängig ist von der Viscosität des
Lösungsmittels, solange die Viscosität nicht zu hohe Werte an-
nimmt.
Von den Aminophosphatiden des Gehirns und der Nerven
haben wir noch Kephalin untersucht und ferner noch Cerebron.
Die Fig. 25 a zeigt die Messung an einer y20 n-Lösung von
Cerebron in absolutem Alkohol. Wir erhalten keine Erhöhung
der DK durch die gelösten Moleküle. Dieses Resultat war zu
erwarten, da Cerebron nach seiner chemischen Konstitution kein
Zwitterion sein kann. Fig. 25 c zeigt die Messung an einer 1/i0
n-Lösung von Kephalin in Benzol. Die Meßpunkte für die Lösung
fallen mit der Benzolkurve nahezu zusammen. Da aber Lecithin
in Benzol (Fig. 25 b) ebenfalls keine Erhöhung der DK ergibt,
Isolde Hausser
sich nicht merklich auf die langen Fettsäurearme übertragen, die
ihrerseits nur schwachen Kräften unterworfen sind. In diesem
Falle müßten wir, im Vergleich zu den bisher untersuchten Be-
tainen, ein Gebiet anomaler Dispersion bei sehr viel kürzeren
Wellen (als 4 m) erwarten; auch müßte dieses Dispersionsgebiet
Viscositätsabhängigkeit besitzen. Beides trifft nicht zu, also schei-
det auch diese Annahme aus.
Es scheint vielmehr ein dritter Fall vorzuliegen. Auf Grund
der beiden Meßresultate, daß einmal die anomale Dispersion nicht
viscositätsabhängig ist, und daß andererseits doch ein Gebiet
anomaler Dispersion bei relativ langen Wellen eintritt, kann
unter Berücksichtigung der Erfahrungen an den Betainen folgendes
geschlossen werden: Die beiden langen Fettsäurearme ruhen im
wesentlichen im Lösungsmittel. Die kleinen Bewegungen, die sie
wohl ausführen, liefern keinen Beitrag zu der beobachteten Er-
scheinung, zumal ihre Dipolmomente nur klein sind. Die langen
Arme üben aber ihrerseits auf den kurzen, starkpolaren Arm der
Cholinphosphorsäure eine Direktionskraft aus, sodaß dieser zwar
für sich allein größere pendelartige Bewegungen ausführen kann,
aber in eine bestimmte Ruhelage strebt. Unter dem Einfluß der
Direktionskraft der langen Arme und unter der Wirkung der an-
stoßenden Kraft des äußeren elektrischen Meßfeldes pendelt daher
der kurze polare Arm mit einer definierten Eigenschwingung um
eine Ruhelage. Diese Eigenschwingung des polaren
Armes bestimmt die Lage des anomalen Disper-
sionsgebietes bei Lecithin und Sphingomyelin. Aus
diesem Grunde beobachten wir ein Gebiet anomaler Dispersion,
das in erster Näherung unabhängig ist von der Viscosität des
Lösungsmittels, solange die Viscosität nicht zu hohe Werte an-
nimmt.
Von den Aminophosphatiden des Gehirns und der Nerven
haben wir noch Kephalin untersucht und ferner noch Cerebron.
Die Fig. 25 a zeigt die Messung an einer y20 n-Lösung von
Cerebron in absolutem Alkohol. Wir erhalten keine Erhöhung
der DK durch die gelösten Moleküle. Dieses Resultat war zu
erwarten, da Cerebron nach seiner chemischen Konstitution kein
Zwitterion sein kann. Fig. 25 c zeigt die Messung an einer 1/i0
n-Lösung von Kephalin in Benzol. Die Meßpunkte für die Lösung
fallen mit der Benzolkurve nahezu zusammen. Da aber Lecithin
in Benzol (Fig. 25 b) ebenfalls keine Erhöhung der DK ergibt,