in der naturwissenschaftlichen Medizin
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neuen Überraschungen, das sich nicht einem starren Prinzip zu
beugen pflegt. Schon die historische Entstehung dieses Grund-
satzes durch einen merkwürdigen Zufall ist erwähnenswert: Als
Hahnemann Chinin in hohen Dosen einnahm, beobachtete er
eine Reaktion, die wir heute als paradox bezeichnen, nämlich
einen Fieberanfall. In tausend Fällen mag das antipyretische
Chinin ein paar Mal zu dieser paradoxen Reaktion führen, die
der historische Anlaß war zur Prägung des neuen Grundsatzes:
Similia Similibus curantur.
Der Wahrheitskern der Homöopathie ist auch nicht enthalten
in der Potenzlehre des Organon: Bekanntlich erzielte Hahnemann
seine besten Erfolge, als er zur 30.—60. Potenz überging. Die
„homöopatischen“ Verordnungen, die in der letzten Zeit in der
naturwissenschaftlichen Medizin besonders Aufsehen erregt haben,
entsprechen einer ganz anderen Größenordnung: Ein Tropfen
Jod auf ein Glas Wasser entspricht ungefähr der Potenz D 4,
die Bier sehe Schwefelbehandlung der Potenz D 3. Um die Be-
deutung der 30. Potenz zu erfassen, kann man sich daran erinnern,
daß die Wassermenge der gesamten Weltenmeere etwa 1,4-IO18
Tonnen beträgt, entsprechend l,4-1027 mg. Wenn also z. B. ein
Milligramm Jod in dem Wasser der Weltenmeere verteilt wird,
so erhalten wir erst die Potenz D 27. Da durch einen merk-
würdigen Zufall die LocHSCHMiDTsche Zahl der Größenordnung
D 27 entspricht, so läßt sich errechnen, daß bei einer Konzen-
tration D 30 erst in etwa 1000 Litern Meerwasser ein einziges
Atom Jod enthalten wäre. Wenn wir also eine Pille, eine Tinktur
oder eine andere homöopathische Verschreibung der 30. Potenz
vornehmen, so haben wir nicht entfernt die Wahrscheinlichkeit,
mit dieser Verschreibung auch nur die winzigste Spur der wirk-
samen Substanz unseren Patienten zuzuführen. Wir treiben Thera-
pie mit einem Stoff, der in hohen Dosen auf Grund seiner chemi-
schen und physikalischen Eigenschaften bestimmte Symptome
auslöst, der dann auf Grund des Ähnlichkeitsprinzips indiziert ist,
in der verordneten Arznei aber gar nicht mehr vorkommt.
Ein anderes Beispiel soll im Folgenden gegeben werden: Die
spekulativen Richtungen wenden sich mit Recht gegen die Aus-
wüchse der heutigen Volksernährung, die in der Tat einer gründ-
lichen Reform bedarf. Sie treten ein gegen die Ausmahlung des
Getreidekorns in der Hochmüllerei und für ein Vollkornbrot, das
bis vor wenigen Jahrzenten den Grundstock unserer Ernährung
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neuen Überraschungen, das sich nicht einem starren Prinzip zu
beugen pflegt. Schon die historische Entstehung dieses Grund-
satzes durch einen merkwürdigen Zufall ist erwähnenswert: Als
Hahnemann Chinin in hohen Dosen einnahm, beobachtete er
eine Reaktion, die wir heute als paradox bezeichnen, nämlich
einen Fieberanfall. In tausend Fällen mag das antipyretische
Chinin ein paar Mal zu dieser paradoxen Reaktion führen, die
der historische Anlaß war zur Prägung des neuen Grundsatzes:
Similia Similibus curantur.
Der Wahrheitskern der Homöopathie ist auch nicht enthalten
in der Potenzlehre des Organon: Bekanntlich erzielte Hahnemann
seine besten Erfolge, als er zur 30.—60. Potenz überging. Die
„homöopatischen“ Verordnungen, die in der letzten Zeit in der
naturwissenschaftlichen Medizin besonders Aufsehen erregt haben,
entsprechen einer ganz anderen Größenordnung: Ein Tropfen
Jod auf ein Glas Wasser entspricht ungefähr der Potenz D 4,
die Bier sehe Schwefelbehandlung der Potenz D 3. Um die Be-
deutung der 30. Potenz zu erfassen, kann man sich daran erinnern,
daß die Wassermenge der gesamten Weltenmeere etwa 1,4-IO18
Tonnen beträgt, entsprechend l,4-1027 mg. Wenn also z. B. ein
Milligramm Jod in dem Wasser der Weltenmeere verteilt wird,
so erhalten wir erst die Potenz D 27. Da durch einen merk-
würdigen Zufall die LocHSCHMiDTsche Zahl der Größenordnung
D 27 entspricht, so läßt sich errechnen, daß bei einer Konzen-
tration D 30 erst in etwa 1000 Litern Meerwasser ein einziges
Atom Jod enthalten wäre. Wenn wir also eine Pille, eine Tinktur
oder eine andere homöopathische Verschreibung der 30. Potenz
vornehmen, so haben wir nicht entfernt die Wahrscheinlichkeit,
mit dieser Verschreibung auch nur die winzigste Spur der wirk-
samen Substanz unseren Patienten zuzuführen. Wir treiben Thera-
pie mit einem Stoff, der in hohen Dosen auf Grund seiner chemi-
schen und physikalischen Eigenschaften bestimmte Symptome
auslöst, der dann auf Grund des Ähnlichkeitsprinzips indiziert ist,
in der verordneten Arznei aber gar nicht mehr vorkommt.
Ein anderes Beispiel soll im Folgenden gegeben werden: Die
spekulativen Richtungen wenden sich mit Recht gegen die Aus-
wüchse der heutigen Volksernährung, die in der Tat einer gründ-
lichen Reform bedarf. Sie treten ein gegen die Ausmahlung des
Getreidekorns in der Hochmüllerei und für ein Vollkornbrot, das
bis vor wenigen Jahrzenten den Grundstock unserer Ernährung