Metadaten

Eichholtz, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1935, 8. Abhandlung): Der biologische Gedanke in der naturwissenschaftlichen Medizin — Heidelberg, 1936

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43720#0032
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
32

Fritz Eichholtz: Der biologische Gedanke

oder durch eine geheime Verwandtschaft miteinander verbunden
scheinen. Diese ist besonders auffällig auf dem Gebiete der
Vitamine, sie trifft aber auch für viele andere chemische Bausteine
der menschlichen Nahrung zu. So ist es nicht verwunderlich, daß
gerade aus Gemüsen und Früchten wirksame Stoffe isoliert werden,
die eingepaßt scheinen in die Lebensvorgänge des Gesunden und
Kranken. Es sei nur erinnert an insulin- und sekretin-ähnliche
Stoffe, an andere, die den weiblichen Geschlechtshormonen ent-
sprechen, an die Pektine mit ihren eigentümlichen Beziehungen
zur Blutgerinnung (Riesser), an andere, die mit der Neubildung
von Hämoglobin verknüpft sind (Whipple), an die Flavonole mit
ihrem coffein-ähnlichen Wirkungscharakter (Fukuda), an organische
Säuren vom Typ der Weinsäure, die bei katalytischen Um-
setzungen im Tierkörperwirksam sind (Ungerecht). Alle diese Stoffe
deuten auf biologische Verflechtungen hin, die seit der Vorzeit
zwischen Pflanze, Tier und Mensch bestehen.
So mögen bei der weiteren chemischen Aufarbeitung des
grünen Blattes und anderer Nahrungsstoffe neue wirksame che-
mische Körper gefunden werden, die in den Stoffwechsel des
Menschen eingepaßt sind und sich daher durch eine besondere
Wirksamkeit und Ungiftigkeit auszeichnen. Hier liegt auch der
Grund für das weitgehende Verständnis, das die Pharmakologie
der Kräuterlehre entgegenbringt, und für die ununterbrochenen
Bemühungen, die wirksamen Stoffe aus diesen Heilkräutern zu
isolieren.
Aber auch die Synthese neuer Arzneistoffe sollte mehr unter
biologischen Gesichtspunkten erfolgen. Es sei daran erinnert,
daß bereits bei der Entgiftung des Azetanilids zum Phenazetin
eine biologische Beobachtung, nämlich die Oxydation des Benzol-
kerns in der para-Stellung, Pate gestanden hat. Der Tribromäthyl-
alkohol, der durch ganz besonders geringe Gewebsgiftigkeit aus-
gezeichnet ist, wurde ursprünglich durch ein biologisches Verfahren,
nämlich durch Reduktion von Bromal mittels Hefe gewonnen.
Es ist durchaus wahrscheinlich, daß solche biologischen Be-
obachtungen und Verfahren in späterer Zeit sehr viel mehr als
heute bei der Synthese neuer Arzneistoffe zur Anwendung kom-
men werden, weil durch eine solche biologische Umsetzung in
den weitaus meisten Fällen eine Entgiftung zu erwarten ist.
Auch in der Pharmakologie ist eine vermehrte Anwendung-
biologischer Gesichtspunkte notwendig.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften