Metadaten

Eichholtz, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1935, 8. Abhandlung): Der biologische Gedanke in der naturwissenschaftlichen Medizin — Heidelberg, 1936

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43720#0039
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
in der naturwissenschaftlichen Medizin

39

teralen Injektion verbunden sind (Infektion, Abszeßbildung, akute
Herzschädigung u. a.). Persönlich halte ich es nicht für richtig,
einen Arzneistoff zu verschreiben, wenn nicht vorher — oder
gleichzeitig - besonders krasse Ernährungsschäden beseitigt
werden, wenn nicht die allergrößten Verirrungen der Lebensweise
in Ordnung gebracht, und wenn man nicht das mögliche Zu-
sammentreffen mit Genußgiften und Gewerbegiften, sowie die
besondere Empfindlichkeit erkrankter Organe berücksichtigt hat.
Ebenso grundlegend ist die Frage der Kombination von Heil-
stoffen. Hier habe ich immer wieder darauf hingewiesen, daß es
nicht nur eine Potenzierung der Wirksamkeit, sondern auch eine
Potenzierung der Giftigkeit gibt, die zum Teil schon bei land-
läufigen Kombinationen nachgewiesen wurde.
Sicher ist kein Einspruch zu erheben gegen alte bewährte
Rezeptvorschriften, wenn sie im Einzelfall eine besonders gute
Wirkung versprechen. Jedes neue und unerprobte Mischrezept
indessen schafft unvorhergesehene, neue Gefahren, die durch
chemische Unverträglichkeit, aber auch durch die mögliche Poten-
zierung der Giftwirkung entstehen können, und bedarf vor der
Anwendung einer eingehenden chemischen, pharmakologischen
und toxikologischen Analyse. Erst auf diesem Wege kann sich
der Arzt, so gut es heute möglich ist, gegen unliebsame Über-
raschungen schützen.
Ganz besonders aber ist die chronische Giftwirkung der Arznei-
stoffe zu bedenken. Noch immer sind, trotz immer erneuten
Hinweises, die schweren Schäden zu beobachten, die durch die
chronische Verabreichung von Schlafmitteln entstehen. Durch eine
besondere Gesetzgebung mußte die Regierung denjenigen Ärzten
die Augen öffnen, die allzu freigiebig mit Rauschgiften umgingen.
Noch größeres Aufsehen mußte die Tatsache erregen, daß Stoffe,
die jahrzehntelang auch bei chronischem Gebrauch als völlig
unschädlich galten, heute in einem ganz anderen Lichte erscheinen.
Es sei daran erinnert, daß 30 malige Anwendung der therapeuti-
schen Dosis von Atophan zu akuter gelber Leberatrophie führen
kann. Nach chronischem Gebrauch von Atropin sind Fälle von
Megacolon beschrieben worden. Ein soviel verordnetes Medikament
wie Pyramidon ist in Beziehung gebracht worden zur Agranu-
locytose. Diese schwere und oft tödlich verlaufende Erkrankung
scheint in einzelnen Krankenhäusern nach Pyramidonbehandlung
gehäuft aufzutreten, während andere Untersucher, darunter solche
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften