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Achelis, Johann Daniel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 3. Abhandlung): Die Ernährungsphysiologie des 17. Jahrhunderts: Festvortrag bei der Stiftungsfeier der Akademie am 22. Mai 1938 — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.43749#0009
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Die Ernährungsphysiologie cles 17. Jahrhunderts

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wechsel, — ein gutes Beispiel für die philosophische Indifferenz
der naturwissenschaftlichen Methoden.
Man könnte denken, daß bei diesen Versuchen, in denen
mit der Waage Rechenschaft über die Einnahmen und Ausgaben
des Körpers abgelegt wurde, auch die damals gerade in Italien
florierende kaufmännische Buchführung Pate gestanden hätte. Der
Organismus wäre allerdings eine Firma, bei der dauernd unmerk-
liche Verluste zu ersetzen sind. Immerhin ist der Ausgleich des
Solls und Habens in der Bilanz dem Stoffwechsel und dem Han-
del gemeinsam. Ich vermag aber nicht zu entscheiden, ob hier einer
jener sonst häufigen Berührungspunkte zwischen Nationalökonomie
und Biologie vorliegt.
Die Einsicht in die dynamische Natur des Stoffwechsels, die
durch die Messung der Perspiratio insensibilis bei Sanctorio
gegeben ist, wird nun für ihn zum Leitfaden für die gesamte
Diätetik. Ich möchte Sie mit den Einzelheiten nicht ermüden. Die
Affectus animi, Venus, Exercitium et Quies, Somnum et Vigilia
und vieles andere wird an seiner Wirkung auf die Perspiratio
insensibilis geprüft. Gefordert ist immer ein mittleres Maß, das
Zuviel ist ebenso schädlich wie das Zuwenig.
Und dieser maßvollen Lebenslehre entspricht auch die Person
des Autors, so wie sie uns aus der Schrift entgegentritt. Man
könnte meinen, daß Sanctorio als Forscher ein glücklicher Mensch
gewesen ist. Er besaß eine gute Kenntnis der antiken Literatur,
eine moderne Methode und eigene Gedanken, und keines von
diesen Dingen, die jeweils im Übermaß beschwerlich erscheinen,
überwog in besonderem Maße, — eine Abgewogenheit, wie sie
selten ist. Daraus erklärt sich wohl auch der dauernde Erfolg
durch anderthalb Jahrhunderte. Der Mechaniker, der Biologe und
der hippokratisch verfahrende Arzt, — jeder kommt hier auf
seine Rechnung.
Gut fünfzig Jahre später hat die Physiologie der Ernährung
in Italien, wo ja damals viele naturwissenschaftliche Entschei-
dungen fielen, ein völlig anderes Gesicht bekommen. Aus der
Mechanik Galileis, der im Grunde wohl aus der scholastischen
Philosophie stammte, und der dann wesentlich experimentell ver-
fuhr, war durch Descartes ein naturphilosophisches System ge-
worden. Und die Geschichte der Physik in den folgenden Jahr-
zehnten war zum guten Teil durch die Auseinandersetzung mit
 
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