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Rodenwaldt, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1939, 2. Abhandlung): Frühzeitige Erkennung und Bekämpfung der Heeresseuchen — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43760#0014
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14 Ernst Rodenwaldt: Frühzeitige Erkennung
Man könnte manchmal besorgt sein, wenn man heute sieht,
wie viel von alledem schon der Geschichte angehört, größtenteils
vollständig vergessen ist. Jedenfalls hat man nach dem Kriege
unterlassen, den ganzen Wissenszweig der Entlausung weiter
auszubauen, in dem man doch so außerordentlich viel auch wis-
senschaftlich Interessantes gefunden hatte und wo man noch
mitten in der Entwicklung stand. So ist z. B. die Frage: „Heiße
Luft“ oder „Dampf“, und wie weit man mit Blausäure arbeiten
darf, nicht endgültig entschieden worden.
Ich nehme an, daß innerhalb unseres heutigen Sanitätsdienstes
die Improvisation und Einrichtung von Entlausungsstationen Ge-
genstand der Pflege unserer Kriegstradition sind. Jedenfalls muß
aber auch im Hygieneunterricht unserer Hochschulen das Thema
„Entlausung“ einen festen Platz einnehmen und darf ihn niemals
verlieren.
Ich komme nun auf das viel umstrittene Gebiet der Vacci-
nation.
Zwar, den Wert der Vaccination gegen die Pocken zweifelt
niemand an. Sie hat uns auch in diesem Kriege genau so ge-
schützt wie im Kriege 1870/71, sogar noch besser, denn damals
stand unsere Vaccinebereitung bei weitem nicht auf der heutigen
Höhe, und eine Bewertung der Virulenz der Vaccine im Sinne
der GROTH’schen Forderung gab es noch nicht.
459 Fälle aus einem im Laufe des Krieges zu mehreren Mil-
lionen angewachsenen Heere sind eine Bagatelle. Auch die 17 000
Erkrankungen in der Heimat an durch Gefangene eingeschleppten
Pocken, überwiegend Erkrankungen bei älteren Personen ohne
ausreichenden Impfschutz, haben unser Vertrauen zu der klassi-
schen Vaccination nicht erschüttert.
Auch über den Wert der Vaccination gegen Cholera mit den
modernen Methoden der Vaccination mit abgetöteten Keimen
dürfte man heute keinen Zweifel mehr haben.
Allerdings war das Auftreten der Cholera in unserem Heere
mit 3 303 Fällen — auch hier wurden über V3 der Fälle erst in
den Lazaretten erkannt — zu geringfügig, um uns zu einem ge-
sicherten Urteil über den Wert der Impfung zu verhelfen. Die
Seuche trat bei unseren Truppen an der Ostfront, auf dem Balkan
und in der Türkei auf, im Westen wurden nur Einzelfälle gesehen.
Aber das Ostheer war schon im Zustande des Bewegungs-
krieges gegen Cholera geimpft worden, und in der Folge wurde
 
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