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Rodenwaldt, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1939, 2. Abhandlung): Frühzeitige Erkennung und Bekämpfung der Heeresseuchen — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43760#0016
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16 Ernst Rodenwaldt: Frühzeitige Erkennung
ganz und gar künstliche Konstruktion, die man sich bei
unserer geringen Kenntnis der Konstitution der Antigene und
Antikörper hätte sparen können. Doch hat dies Phantom, dies
Gespenst, während des Krieges auf vielen als Alb gelastet, und
auch heute geht es noch um.
Aber auch bei den Pocken satteln wir ja mit der Vaccine
das schnellere Pferd, und es schadet garnichts, wenn schlimmsten-
falls neben den Pockenpusteln auch noch einige Vaccinepusteln
aufschießen.
Ich halte es nicht für zu gewagt, nach der Analogie des Ver-
haltens bei der Cholera und den Pocken anzunehmen, daß wir
mit einer negativen Phase bei Vaccination mit Bakterien über-
haupt nicht zu rechnen brauchen.
Um auch dies hier gleich zu sagen: daß man bei Wieder-
holung der Vaccination etwa mit anaphylaktischen Erschei-
nungen rechnen müßte, ist schon während des Krieges wider-
legt worden.
Allerdings fand sich bei einem aus der Front gezogenen
Bataillon, das mit Typhusvaccine revacciniert wurde, bei einem
hohen Prozentsatz der Mannschaften Eiweiß im Harn. Das war
aber Schützengrabennephritis.
Schon während des Krieges aber haben sich viele Stimmen
erhoben, die den Wert der Typhusschutzimpfung bezweifelt haben,
und auch heute noch ist die Diskussion darüber nicht abge-
schlossen.
Es würde zu weit führen, auf die Erfahrungen näher einzu-
gehen, die schon vor dem Weltkriege in Amerika gemacht worden
sind und die eindeutig für den Wert der Impfung sprachen.
Die Impfung hatte in unserem Südwestafrikanischen Kolonial-
krieg nicht befriedigt. Warum, möchte ich später erörtern. Bei
uns war die Typhusschutzimpfung daher zu Kriegsbeginn nur für
das Sanitätspersonal befohlen, für die Truppe lediglich empfohlen.
Nur das XXII. Reservekorps rückte bereits durchgeimpft ins Feld,
und die drei anderen flandrischen Reservekorps befanden sich in
der Durchimpfung und hatten sie bald vollständig erreicht.
Im gleichen Kampfgebiet, in Flandern, aber lag ein Korps,
dessen Kommandeur sich auch in hygienischen Fragen nicht von
seinem Korpshygieniker, sondern von seinem beratenden Chi-
rurgen beraten ließ. Dies Korps blieb bis zum Februar 1915 un-
vacciniert. Damals war es bereits völlig durchseucht.
 
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