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Bieberbach, Ludwig; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1940, 5. Abhandlung): Die völkische Verwurzelung der Wissenschaft (Typen mathematischen Schaffens) — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.43997#0024
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24

Ludwig Bieberbach:

Bei dem ersten sahen wir das Hauptmerkmal in der engen Ver-
bundenheit mit der Außenwelt, mit der Anschauung, während
bei dem dritten die feste innere Linie in die Augen sprang. Der
Jg-Typus fällt in anderen Lebenslagen durch seine Sturheit auf,
während demgegenüber bei den JrTypen die Verbindlichkeit,
das Verstehenwollen, das Herausarbeiten von Zusammenhängen
und großen Gesichtspunkten auffällt. J3 hinwieder kommt es
weniger auf die Weite der Gesichtspunkte als auf die Tiefe der
Erörterung an. Man geht wohl nicht fehl, wenn man — dem ersten
Eindruck folgend — den Braunschweiger Dedekind zu den J3-Typen
rechnet, indem man seine Art als der von Weierstrass nahe-
stehend empfindet. Der Jude Hurwitz z. B. glaubte eine Verein-
fachung des Dedekind'sehen Aufbaus der Theorie der Ideale gefun-
den zu haben und hatte sie als solche veröffentlicht. Dedekind nahm
das zum Anlaß einer grundsätzlichen Auseinandersetzung. Er
erwähnt, daß auch er von Anfang an den HuRWiTZ’schen Weg
erwogen habe, daß er ihn aber aufgegeben habe, trotz seiner
größeren Kürze, mit der Bemerkung, „daß man sich zehnmal
überlegen müsse, wie eine solche Abkürzung durchzuführen sei,
ohne den einheitlichen Charakter der Theorie zu stören.“ Also
nicht in der Folgerichtigkeit und Kürze allein ist ein Vorzug einer
Theorie zu sehen, sondern vor allem, und für Dedekind aus-
schlaggebend, in der Einheitlichkeit des Aufbaus. Das ist also
ein idealer Gesichtspunkt, der an die Spitze gestellt wird. Man
sieht daraus, daß Dedekind in der Reihe der J3-typischen Mathe-
matiker nach der Seite hinneigt, die sich J2 und seinen Jdealen
nähert. Dedekind bezieht sich weiter26) auf eine berühmte Äuße-
rung in Gauss’ Disquisitiones arithmeticae: „Mathematische Wahr-
heiten müssen aus Begriffen, nicht aus Bezeichnungen geschöpft
werden“. Und er wendet das im vorliegenden Fall so an, daß
er betont, seine Theorie der Ideale baue auf inneren Eigenschaften
der Ideale auf, ähnlich wie Riemann’s Funktionentheorie auf in-
neren Eigenschaften der Funktionen — auf Begriffe statt auf Rech-
nungen — sich gründe, während Hurwitz’ Verfahren sich (ähn-
lich wie die Weierstrass’s ehe Funktionentheorie)27) einer äußer-
lichen Darstellungsform bediene 28).
26) R. Dedekind, Gesammelte mathematische Werke, Band 2, S. 54.
27) Hieraus zu schließen, daß Weierstrass Jude bzw. Hurwitz Deut-
scher oder daß zwischen beiden kein wesensmäßiger Unterschied sei,
ist offenbar unlogisch.
28) Daher bedeutet die HURWiTZ’sche „Vereinfachung“ nach Dede-
 
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