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Max Steck: Ein unbekannter Brief von Gottlob Frege über
stellte sich im Verlauf der Entwicklung dieser Disziplin ihre
prinzipielle Bedeutung für die gesamte Mathematik, Logik und
Erkenntnistheorie heraus, und die Tragweite ihrer Methoden und
Ergebnisse läßt sich bekanntlich auch heute noch nicht endgültig
übersehen.
Wenn auch vieles von dem Inhalt des Briefes, nachdem be-
reits die 7. Auflage der HiLBERT’schen „Grundlagen der Geometrie“
erschienen ist (Leipzig-Berlin 1930) und inzwischen noch eine Reihe
scharfsinniger weiterer Untersuchungen zu den einschlägigen
Problemstellungen von anderen Autoren angestellt worden sind,
durch die bisherige Forschung, besonders durch Hilbert und seine
Schüler selbst, überholt, verbessert und ergänzt wurde und die von
Frege geäußerten Bedenken in der Hauptsache heute als geklärte
Fragen und als gegenstandslos anzusehen sind (Existentialaxiome;
Begriff der impliziten Definition; Unabhängigkeitsbeweise usw.),
so bleibt doch auch heute noch das, was Frege schon damals
ganz deutlich und klar gesehen und — in seiner Sprache — aus-
gesprochen hat, bestehen und zeigt, wie bereits ein Jahr nach
der HiLBERT’schen Vorlesung die neue Problemlage und geistige
Situation der Mathematik in einer Form verstanden wurde, die
es verdient, als historisches Faktum den heutigen und kommenden
Grundlagenforschern mitgeteilt zu werden. Dies um so mehr, als
die Gedanken von einem Manne stammen, den zu verehren wir
Grund genug haben.
An einigen Stellen des Briefes sogar hat Frege genau den
Kernpunkt der sog. mathematischen „Grundlagenkrisis“ getroffen,
nämlich an den Stellen, wo er von der Widerspruchsfreiheit des
Axiomensystems der Euklidischen Geometrie spricht. In der Tat
kommt auf diesen Beweis alles an. Es handelt sich dabei bekannt-
lich im wesentlichen zunächst um die Arithmetisierung der Eu-
klidischen Geometrie auf Grund des Axiomensystems, die durch
Hilbert und seine Schule vollständig erledigt und bis ins Einzelne
durchgearbeitet, erforscht und gesichert worden ist. Schwerer
aber wiegt dabei bekanntlich der im Anschluß daran zu erbringende
allgemeine Nachweis der Widerspruchsfreiheit der Arithmetik,
der in der Hauptsache bis heute noch aussteht, da die sog. Wider-
spruchslosigkeitsbeweise der Logistiker keinen Mathematiker voll-
auf befriedigen können.
Diese Entwicklung hat Frege schon ganz deutlich gesehen,
vielleicht sogar auch, daß der Widerspruchslosigkeitsbeweis der
Max Steck: Ein unbekannter Brief von Gottlob Frege über
stellte sich im Verlauf der Entwicklung dieser Disziplin ihre
prinzipielle Bedeutung für die gesamte Mathematik, Logik und
Erkenntnistheorie heraus, und die Tragweite ihrer Methoden und
Ergebnisse läßt sich bekanntlich auch heute noch nicht endgültig
übersehen.
Wenn auch vieles von dem Inhalt des Briefes, nachdem be-
reits die 7. Auflage der HiLBERT’schen „Grundlagen der Geometrie“
erschienen ist (Leipzig-Berlin 1930) und inzwischen noch eine Reihe
scharfsinniger weiterer Untersuchungen zu den einschlägigen
Problemstellungen von anderen Autoren angestellt worden sind,
durch die bisherige Forschung, besonders durch Hilbert und seine
Schüler selbst, überholt, verbessert und ergänzt wurde und die von
Frege geäußerten Bedenken in der Hauptsache heute als geklärte
Fragen und als gegenstandslos anzusehen sind (Existentialaxiome;
Begriff der impliziten Definition; Unabhängigkeitsbeweise usw.),
so bleibt doch auch heute noch das, was Frege schon damals
ganz deutlich und klar gesehen und — in seiner Sprache — aus-
gesprochen hat, bestehen und zeigt, wie bereits ein Jahr nach
der HiLBERT’schen Vorlesung die neue Problemlage und geistige
Situation der Mathematik in einer Form verstanden wurde, die
es verdient, als historisches Faktum den heutigen und kommenden
Grundlagenforschern mitgeteilt zu werden. Dies um so mehr, als
die Gedanken von einem Manne stammen, den zu verehren wir
Grund genug haben.
An einigen Stellen des Briefes sogar hat Frege genau den
Kernpunkt der sog. mathematischen „Grundlagenkrisis“ getroffen,
nämlich an den Stellen, wo er von der Widerspruchsfreiheit des
Axiomensystems der Euklidischen Geometrie spricht. In der Tat
kommt auf diesen Beweis alles an. Es handelt sich dabei bekannt-
lich im wesentlichen zunächst um die Arithmetisierung der Eu-
klidischen Geometrie auf Grund des Axiomensystems, die durch
Hilbert und seine Schule vollständig erledigt und bis ins Einzelne
durchgearbeitet, erforscht und gesichert worden ist. Schwerer
aber wiegt dabei bekanntlich der im Anschluß daran zu erbringende
allgemeine Nachweis der Widerspruchsfreiheit der Arithmetik,
der in der Hauptsache bis heute noch aussteht, da die sog. Wider-
spruchslosigkeitsbeweise der Logistiker keinen Mathematiker voll-
auf befriedigen können.
Diese Entwicklung hat Frege schon ganz deutlich gesehen,
vielleicht sogar auch, daß der Widerspruchslosigkeitsbeweis der