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A. Seybold:
So klar der molekulare Aufbau der beiden Chlorophyllkompo-
nenten ist, so undurchsichtig liegt die Physiologie der Chloro-
plasten vor uns. Daß die gelungene Aufklärung der Konstitutions-
formeln der Chlorophyllkomponenten und der Carotinoide zu den
besten chemischen Großtaten gehört, muß hier betont werden,
da diese Erfolge den Ansporn geben können, auch die Physio-
logie der Chloroplastenpigmente trotz aller Schwierigkeiten zu
erforschen. Daß die Natur ihr großes Geheimnis der Photosyn-
these der Kohlenhydrate nicht leicht preisgibt, geht aus der
großen Zahl physiologischer Versuche hervor, die man im Laufe
eines Jahrhunderts über die Kohlensäureassimilation anstellte. Die
zahlreichen Hypothesen, die man sich über diesen Fundamental-
prozeß des Lebens bildete, bekunden vielleicht noch deutlicher,
daß die Physiologie der Kohlenhydratsynthese überreich an un-
geklärten Vorgängen ist.
Schon allein die Tatsache, daß sich die Photosynthese nur
bei chlorophyllhaltigen Pflanzen vollzieht, beweist, daß die
Physiologie des Chlorophylls das zentrale Problem der Kohlen-
säureassimilation ist. Welche Rolle die Carotinoide bei diesem
Prozeß spielen, ist zwar auch noch durchaus ungeklärt. Chroma-
tophoren, die nur diese gelben Farbstoffe enthalten, können keine
Kohlensäure assimilieren, aber die Tatsache, daß alle Chloro-
plasten Carotinoide enthalten, macht es wahrscheinlich, daß ihnen
doch eine photosynthetische Funktion irgendwelcher Art zu-
kommt. Da verschiedene Untersuchungen darauf hindeuten, daß
in den Blättern außer den Kohlenhydraten auch noch andere or-
ganische Substanzen, wie Eiweißstoffe und Vitamine, syntheti-
siert werden, ist es sehr wohl denkbar, daß die Carotinoide
ebenso wie Chlorophylle als photodynamische Systeme anzu-
sprechen und möglicherweise an der Kohlenhydratsynthese be-
teiligt sind. Ich will hier von diesen mehr oder weniger speku-
lativen Erörterungen absehen und nun einen weiteren Beitrag
zur Physiologie des Chlorophylls vorlegen.
Unsere Untersuchungen gingen von lichtökologischen Betrach-
tungen aus. Wir haben festgestellt, daß die Lichtfelder, in denen
die Pflanzen wachsen, sich nicht nur in quantitativer, sondern
auch in qualitativer Hinsicht beträchtlich unterscheiden. Das durch
ein „grünes Blätterdach“ filtrierte Schattenlicht, das z. B. den
Schattenpflanzen eines Waldes zur Verfügung steht, weist eine
andere spektrale Energieverteilung auf als das direkte Sonnen-
A. Seybold:
So klar der molekulare Aufbau der beiden Chlorophyllkompo-
nenten ist, so undurchsichtig liegt die Physiologie der Chloro-
plasten vor uns. Daß die gelungene Aufklärung der Konstitutions-
formeln der Chlorophyllkomponenten und der Carotinoide zu den
besten chemischen Großtaten gehört, muß hier betont werden,
da diese Erfolge den Ansporn geben können, auch die Physio-
logie der Chloroplastenpigmente trotz aller Schwierigkeiten zu
erforschen. Daß die Natur ihr großes Geheimnis der Photosyn-
these der Kohlenhydrate nicht leicht preisgibt, geht aus der
großen Zahl physiologischer Versuche hervor, die man im Laufe
eines Jahrhunderts über die Kohlensäureassimilation anstellte. Die
zahlreichen Hypothesen, die man sich über diesen Fundamental-
prozeß des Lebens bildete, bekunden vielleicht noch deutlicher,
daß die Physiologie der Kohlenhydratsynthese überreich an un-
geklärten Vorgängen ist.
Schon allein die Tatsache, daß sich die Photosynthese nur
bei chlorophyllhaltigen Pflanzen vollzieht, beweist, daß die
Physiologie des Chlorophylls das zentrale Problem der Kohlen-
säureassimilation ist. Welche Rolle die Carotinoide bei diesem
Prozeß spielen, ist zwar auch noch durchaus ungeklärt. Chroma-
tophoren, die nur diese gelben Farbstoffe enthalten, können keine
Kohlensäure assimilieren, aber die Tatsache, daß alle Chloro-
plasten Carotinoide enthalten, macht es wahrscheinlich, daß ihnen
doch eine photosynthetische Funktion irgendwelcher Art zu-
kommt. Da verschiedene Untersuchungen darauf hindeuten, daß
in den Blättern außer den Kohlenhydraten auch noch andere or-
ganische Substanzen, wie Eiweißstoffe und Vitamine, syntheti-
siert werden, ist es sehr wohl denkbar, daß die Carotinoide
ebenso wie Chlorophylle als photodynamische Systeme anzu-
sprechen und möglicherweise an der Kohlenhydratsynthese be-
teiligt sind. Ich will hier von diesen mehr oder weniger speku-
lativen Erörterungen absehen und nun einen weiteren Beitrag
zur Physiologie des Chlorophylls vorlegen.
Unsere Untersuchungen gingen von lichtökologischen Betrach-
tungen aus. Wir haben festgestellt, daß die Lichtfelder, in denen
die Pflanzen wachsen, sich nicht nur in quantitativer, sondern
auch in qualitativer Hinsicht beträchtlich unterscheiden. Das durch
ein „grünes Blätterdach“ filtrierte Schattenlicht, das z. B. den
Schattenpflanzen eines Waldes zur Verfügung steht, weist eine
andere spektrale Energieverteilung auf als das direkte Sonnen-