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Wolf, Max; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1911, 37. Abhandlung): Die Entfernung der Sterne: Vortrag — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.37304#0003
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Auch in wissenschaftlicher Hinsicht sind wir Menschen
künstlerisch veranlagt. Kaum sehen und fühlen wir die um-
gebende Natur, die umgebende Welt, so greifen wir zum Meißel,
um uns in unserem Ideenkreis ein Bildwerk zu formen, das
der beobachteten Welt entsprechen soll. Wir freuen uns über
unser Kunstwerk und immer und immer wieder vergleichen wir
es mit der Natur, greifen wieder zum Meißel und hämmern daran.
Mancher Schlag fällt umsonst, mancher geht zu tief, mancher
daneben. Bald muß ein Stück später wieder angesetzt, an anderer
Stelle eines weggenommen werden — aber langsam, langsam
gewinnt das Werk gute Form. Je schärfer die Umrisse heraus-
treten, desto rascher schreitet die Arbeit fort, desto seltener
werden die groben Fehler.
Was unser Streben dabei verlangt, das ist die Ähnlichkeit
unseres Bildwerkes mit dem Original. Bis zu gewissem Grade
verlangen wir sogar Ähnlichkeit in den Bewegungen, wir bauen
also eigentlich an einem Modell. Wir möchten jeden Teil unseres
Werkes mit jedem anderen in solcher Beziehung sehen, wie wir
sie in der Außenwelt beobachten. Und wenn wir diese Proportionen
und Beziehungen in unserem Modell überschauen, dann glauben
wir, die Natur zu verstehen, zu ahnen, wie in der Wirklich-
keit Ursache und Wirkung ineinandergreifen.
Bei dieser großen Arbeit, an der Generation auf Generation
teilnimmt, und zu der jeder unbewußt sein bescheidenes Scherf-
lein legt, handelt es sich in erster lünie um die räumliche Ähn-
lichkeit unseres Modelles mit dem empfundenen Original. Die
Abstände der einzelnen Teile im Modell sollen jenen des Originales
ähneln. Die großen Distanzen sollen groß, die kleinen kleiner
sein; sie sollen dem beobachteten Original entsprechen.
Die Zeit fehlt uns, die Jahrtausende dauernde Arbeit hier
zu skizzieren, die man geleistet hat, um die Größe der Erde
und die Entfernung der uns nächsten Himmelskörper zu be-
stimmen. Die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde war

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