Metadaten

Wolf, Max; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1911, 37. Abhandlung): Die Entfernung der Sterne: Vortrag — Heidelberg, 1911

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37304#0027
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Entfernung der Sterne.

27

nächst ganz unbegreifliche Platzverschwendung, mit der sie ver-
teilt sind!

So sind wir vom Meter zum Kilometer, vom Kilometer zum
Erdradius, von ihm zur Sonnenweite, von der Sonnenweite zum
Lichtjahr, und vom Lichtjahr zur Orionweite aufgestiegen.
Man muß darauf verzichten, das Bild des großen Ganzen auf
einmal zu überblicken. Die Vorstellungskraft versagt. So ge-
waltig unsere Erde ist, sie verschwindet neben dem Riesen-
ball der Sonne, wie diese neben der Pixsternwelt unserer Milch-
straße ; und unsere Milchstraßenspirale ist abermals ein Punkt
in der Welt der Spiralnebel. Braucht doch das unfaßbar flinke
Licht wohl Millionen von Jahren, um von den ferneren Spiralen
zu uns zu gelangen, zu uns Menschen, die wir trotz unfaßbarer
Kleinheit diese Ausdehnung zu messen wagen.
Dabei stehen wir in der Mitte zwischen zwei solchen Un-
endlichkeiten. Wie uns die Physik lehrt, geht es ins kleinste
genau so unfaßbar hinunter. Auch die Raumvergeudung ist die
gleiche. Das alles ist uns von berufenerem Munde vor einem
Jahre an dieser Stelle erzählt worden.
Selbst, wenn wir die unwahrscheinliche Annahme machen,
daß die Welt nach unten unter die Elektronen nicht hinunter
und nach oben über die Spiralnebel nicht hinaufsteigt, so sind
wir doch nicht imstande, die Maßstabreihe auf einmal zu
übersehen.
Ebenso, wie es uns unmöglich ist, uns ein Bild der wahren
Entfernungen der Weltgebilde zu machen, ebenso ist es auch aus-
geschlossen, ein Bild der Reihe der Maßstäbe, die wir an den
Kosmos legen müssen, zu überblicken. Das können wir nicht
auf einmal. Wir brauchen den Zauberstab aus dem Märchenland,
der uns nach Bedarf in atomkleine Zwerge und gleich wieder
in milchstraßengroße Riesen verwandelt.
Heidelberg, 1911 November.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften