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Wülfing, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1914, 8. Abhandlung): Zur Erinnerung an Harry Rosenbusch — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.37416#0023
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22 (A. 8)

E. A. Wülfing:

Noch ein schöner Charakterzug unseres RosENßuscn sei hier
erwähnt, der seine Person hoch emporhebt und sie uns ungewöhn-
iich sympathisch gestaltet: sein neidloses Sichmitfreuen an den
Erfolgen anderer. So begrüßte er die Gründung unserer Akademie
auf das freudigste und verfolgte ihre Arbeiten mit immer gleich
lebhaftem Interesse. Auch kann ich nicht genug seine selbst-
lose Art rühmen, mit der er einem Jünger gestattete, einen Band
seines Hauptwerkes in moderne Form umzukleiden, und wie er
in manchen großen (s. o. Schenkung der ,,RosENBUscnschen
Sammlung") und vielen kleinen rührenden Zügen seine Zuneigung
für die Stätte seiner einstigen Tätigkeit zum Ausdruck brachte.
Am liebsten wäre er auch nach seinem Rücktritt täglich im In-
stitut erschienen, wenn es sein Gesundheitszustand gestattet hätte,
um auch persönlich an all den Wandlungen und Entwicklungen,
die sein Institut in den letzten fünf Jahren durchmachte, teil-
zunehmen. Nie ist auch nur ein Hauch von Mißstimmung hier
zu bemerken gewesen, obgleich doch recht viel geändert wurde,
und er selbst von sich aus manches sicherlich anders gestaltet
hätte.
Es ist ja wohl die Meinung verbreitet, daß er an einer einmal
gefaßten Ansicht starr festgehalten habe, und daß eine Diskussion
mit ihm nicht gut möglich gewesen sei. Ich meinerseits kann nur
die Eindrücke wiedergeben, die mir seit 1888 noch alle gut in Er-
innerung sind. Und danach war er Gründen, wenn sie nicht schroff,
wenn sie in guter Form vorgebracht wurden, immer zugänglich.
Konzessionen vermochte er allerdings nicht zu machen, das ließ
sein markiger Charakter nicht zu. Was er einmal als richtig
erkannt hatte, daran hielt er fest und wenn alle Welt gegen ihn
gewesen wäre. Solche Charakterfestigkeit wird heutzutage leicht
für Starrheit gehalten. Es scheint mir aber ungerecht, die Charak-
terlosigkeit unserer Zeit dadurch verbergen zu wollen, daß man
solche gefestigten Naturen nicht als das gelten läßt, was sie wirk-
lich sind. — Wenn tatsächlich jeder Mensch drei Charaktere
besitzt: den Charakter, den er zeigt, den er zu haben glaubt, und
den er hat, so wird man bei RosENBuscn einen auffallend geringen
Unterschied zwischen allen dreien annehmen dürfen.
Diese von philosophischem Geist getragene Einheitlichkeit
seiner Persönlichkeit gab den Grundton in der Harmonie seines
zufriedenen und glücklicken Lebensabends an. — Sein Alter war nicht
jenem Karfreitags-Gottesdienst in der Sixtinischen Kapelle ver-
 
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