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Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1918, 1. Abhandlung): Tote Landschaften und der Gang der Erdgeschichte — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.36420#0017
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Tote Landschaften und der Gang der Erdgeschichte. (A. 1) 9

Tätigkeit (Vesuv 1906). Die Natur arbeitet beim Aufbau und bei
der Zerstörung geologischer Gebilde meist nicht wie beim Wachs-
tum eines Baumes, indem sie jahraus jahrein so ziemlich die gleiche
Leistung vollbringt, sondern sie ruht lange aus und konzentriert
dann ihre Anstrengungen auf relativ kurze Zeiträume. Das tut
sie aber nicht bloß im kleinen, sondern meiner Ansicht nach auch
im großen. Die letzteren großartigen Kraftanstrengungen aber
sind die Vorgänge, die ich als geologische Paroxysmen be-
zeichne und die meiner Ansicht nach in unseren Vorstellungen vom
Gang der Erdgeschichte die Rolle der alten Katastrophen über-
nehmen sollten. Man kann somit die alte Kataklysmentheorie
D'ORBiGNY's in einem gemilderten Sinne wieder aufleben lassen,
nämlich als Paroxysmentheorie.
Man wird mir vielleicht entgegenen, daß das nicht sehr be-
langreich sei; es scheint mir aber doch für unsere theoretischen
Anschauungen und damit auch für die Art, wie wir arbeiten, nicht
ohne Bedeutung zu sein.
Eigentlich hätte man doch nach der Vernichtung der Kata-
klysmentheorie auch die Einteilung der Erdgeschichte in Erd-
perioden beseitigen müssen. Vorher war eine Erdperiode einfach
der Zeitraum zwischen zwei Kataklysmen, nachher aber nur die
Zeit zwischen zwei ganz lokalen Ereignissen, die man in weiteren
Gebieten der Erdoberfläche nicht wieder anzutreffen erwarten
durfte. Tatsächlich haben sich ja auch Schwierigkeiten genug
gezeigt, als man anfing die Periodengrenzen von dem engen Raume
Europas aus über die Welt zu verfolgen. Und nach dem Unter-
gänge der Kataklysmentheorie bildete sich die Vorstellung heraus,
daß die Periodeneinteilung eine Krücke sei, die man aus konven-
tionellen Gründen vorläufig beibehalten müsse, später aber, wenn
möglich, über Bord werfen würde. Anderseits stritt man sich aber
ruhig weiter darüber, ob das Rhät als oberstes Glied zur Trias
oder als Infralias zum Jura zu rechnen sei, ein Streit, der doch
sinnlos war, wenn die Periodeneinteilung rein konventionell ist.
Und es zeigte sich, daß manche Formationsgrenzen in verblüffen-
der Schärfe über riesige Strecken der heutigen Kontinente ver-
folgbar sind. Ich erinnere nur an die Transgression des Genoman.
So will es mir also scheinen, als ob die mit gewissen Einschrän-
kungen anzuerkennende praktische Brauchbarkeit der Perioden-
und Zeitaltereinteilung darauf beruht, daß die Erdgeschichte
keinen gleichmäßigen Gang hat, sondern sich aus
 
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