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Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1918, 1. Abhandlung): Tote Landschaften und der Gang der Erdgeschichte — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.36420#0011
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Die ältere Geologie nahm vielfach Vorgänge in der geologi-
schen Vorzeit der Erde an, für die in der Gegenwart keine Bei-
spiele bekannt waren. Aber schon in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts wandten sich zuerst PL E. A. VON HoFF und bald
nach ihm LYELL gegen dies Verfahren. Beide behaupteten, daß
selbst die großartigsten Erscheinungen der Vorzeit durch Sum-
mierung kleiner Vorgänge, wie wir sie noch jetzt beobachten, er-
klärbar seien. Sie verwarfen daher alle Hypothesen, die mit nicht
in der Gegenwart beobachteten Vorgängen arbeiteten, und er-
setzten die alte, der Einbildungskraft einen weiten Spielraum las-
sende Arbeitsmethode durch den jetzt herrschenden ,,Grundsatz
des Aktualismus". Die tiefen Täler galten vorher als plötzlich auf-
gerissene Spalten, jetzt als Erzeugnisse langsamer Erosion. Ab-
grundtiefe Verwerfungen waren vorher rasch entstandenen Ein-
brüchen zugeschrieben worden, jetzt tausendfach wiederholten klei-
nen Absenkungen. Alle Kataklysmen im Sinne n'ORBiGNY'si sind
seit HoFF und LYELL aus der Geologie verschwunden.
Es ist leicht verständlich, daß die Überwindung der alten Kata-
klysmentheorie und der Siegeszug der Deszendenzlehre unwillkür-
lich zu der Neigung führten, die ganze Erdgeschichte als eine im
wesentlichen ziemlich gleichmäßig verlaufende Entwicklung auf-
zufassen. Man verfiel sogar vielfach in das andere Extrem und
scheute sich nicht nur im allgemeinen Vorgänge anzunehmen,
die in der Gegenwart kein Beispiel haben, sondern man nahm sogar
für ein bestimmtes Untersuchungsgebiet nur ungern Vorgänge an,
die zwar jetzt anderwärts, aber nicht in diesem Gebiet selbst auf-
treten. — Beobachten wir ein sehr weites oder sehr tief eingeschnit-
tenes Tal mit einem unbedeutenden Bache, so pflegen wir seine
Entstehung durch die tausendfach summierte Wirkung der unbe-
deutenden Erosion des heutigen Gewässers zu erklären. Wir fin-
^ Ich verknüpfe die Kataklysmentheorie lieber mit dem Namen D'OR-
BmNy's, der sie wirklich in ihrer schärfsten Form vertrat, als mit dem Cu-
vtERS, der unseren heutigen Anschauungen viel näher stand, als gewöhnlich
angegeben wird.
 
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