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W. Deecke:
als Fremdlinge oft die besten Leitformen, und deshalb wieder gleiche
Faunen die wertvollsten Grundlageh der geologischen Chronologie. Die
Gürtelströmung von Südostasien her längs der Südränder der meso-
zoischen Festländer verteilte die Keime über die Meeresstraßen und
Schelfmeere und schuf damit „Kolonien“ an den passenden Stellen in
perlschnurartiger Reihe, von denen uns nach und nach immer mehr be-
kannt werden. Sie mahnen aber zugleich zur Vorsicht in der Benutzung
der Leitfossilien, da die Tiere vielleicht eine lange Zeit zur Verbreitung
brauchten, ihr Vorkommen in zwei sehr entfernten Gegenden also kein
absolut gleichzeitiges sein kann, sondern wie alle geologische Chrono-
logie eine Konzentrierung der Zeitsparmen auf schmälere Bänder, gleich-
sam eine „Zusammendrückung der Zeit“ bezeichnet. Vor allem gilt dies
von Tierformen, deren Larven schwebend sich nur kurz lebendig erhalten
und zugrunde gehen, wenn sie inzwischen keine passenden Wohnstätten
gefunden hatten. Dabei sind wir insofern übel dran, weil wir von den
ausgestorbenen Gruppen keinerlei Anhaltspunkte über die Larven zu
gewinnen vermögen, sind aber überhaupt bei den untergegangenen Ge-
schlechtern oft nicht imstande zu sagen, ob sie krochen oder schwammen
(Ammoniten, Nummuliten, Fusulinen, Trilobiten) und ob sie willkürliche
oder unwillkürliche Verbreitung erfuhren. Je nachdem man diese Tiere
auffaßt und ihre Biologie als ungesichert oder geklärt annimmt, wird man
sie für geeignet oder ungeeignet zur Lösung der hier angeschnittenen
Fragen bewerten.
Auf solche Schwierigkeiten stoßen wir gleich bei dem ersten Beispiele
im Silur, bei den Graptolithen. In England, Skandinavien und Thüringen-
Sachsen beobachten wir durchschnittlich dieselben Arten und eine gleich-
artige Aufeinanderfolge. Schwammen diese Tiere wie die Siphonophoren
in Schwärmen, so verfielen sie den Strömungen und wurden an den Seiten
des sibirischen Meeres in stillen Buchten oder am Wattenstrande zu-
sammengetragen und in abgestorbenem Zustande aufgehäuft.. Diese
Strömungen scheinen von SW. hei1 nach NO. gegangen zu sein, und jene
Untiefe, die das skandinavische Meer von dem böhmischen schied, diente
als Anhäufungspunkt bis in die Lausitz hinein. Die fast ausschließliche
Entwickelung dieser Facies im mittleren Deutschland läßt eine ausge-
sprochene Küstenströmung vermuten, die im Unter- und Obersilur an-
hielt und dauernder war als in Skandinavien, wo während des Silurs
infolge der positiven und negativen Bewegungen mehrfache Verschiebung
der Wasser Versetzungen erfolgte und daher die Verteilung der Grapto-
lithenschiefer willkürlicher erscheint. Ähnlich dürften die Zustände im
Oberkambrium und untersten Silur in Skandinavien, gewesen sein, wo
W. Deecke:
als Fremdlinge oft die besten Leitformen, und deshalb wieder gleiche
Faunen die wertvollsten Grundlageh der geologischen Chronologie. Die
Gürtelströmung von Südostasien her längs der Südränder der meso-
zoischen Festländer verteilte die Keime über die Meeresstraßen und
Schelfmeere und schuf damit „Kolonien“ an den passenden Stellen in
perlschnurartiger Reihe, von denen uns nach und nach immer mehr be-
kannt werden. Sie mahnen aber zugleich zur Vorsicht in der Benutzung
der Leitfossilien, da die Tiere vielleicht eine lange Zeit zur Verbreitung
brauchten, ihr Vorkommen in zwei sehr entfernten Gegenden also kein
absolut gleichzeitiges sein kann, sondern wie alle geologische Chrono-
logie eine Konzentrierung der Zeitsparmen auf schmälere Bänder, gleich-
sam eine „Zusammendrückung der Zeit“ bezeichnet. Vor allem gilt dies
von Tierformen, deren Larven schwebend sich nur kurz lebendig erhalten
und zugrunde gehen, wenn sie inzwischen keine passenden Wohnstätten
gefunden hatten. Dabei sind wir insofern übel dran, weil wir von den
ausgestorbenen Gruppen keinerlei Anhaltspunkte über die Larven zu
gewinnen vermögen, sind aber überhaupt bei den untergegangenen Ge-
schlechtern oft nicht imstande zu sagen, ob sie krochen oder schwammen
(Ammoniten, Nummuliten, Fusulinen, Trilobiten) und ob sie willkürliche
oder unwillkürliche Verbreitung erfuhren. Je nachdem man diese Tiere
auffaßt und ihre Biologie als ungesichert oder geklärt annimmt, wird man
sie für geeignet oder ungeeignet zur Lösung der hier angeschnittenen
Fragen bewerten.
Auf solche Schwierigkeiten stoßen wir gleich bei dem ersten Beispiele
im Silur, bei den Graptolithen. In England, Skandinavien und Thüringen-
Sachsen beobachten wir durchschnittlich dieselben Arten und eine gleich-
artige Aufeinanderfolge. Schwammen diese Tiere wie die Siphonophoren
in Schwärmen, so verfielen sie den Strömungen und wurden an den Seiten
des sibirischen Meeres in stillen Buchten oder am Wattenstrande zu-
sammengetragen und in abgestorbenem Zustande aufgehäuft.. Diese
Strömungen scheinen von SW. hei1 nach NO. gegangen zu sein, und jene
Untiefe, die das skandinavische Meer von dem böhmischen schied, diente
als Anhäufungspunkt bis in die Lausitz hinein. Die fast ausschließliche
Entwickelung dieser Facies im mittleren Deutschland läßt eine ausge-
sprochene Küstenströmung vermuten, die im Unter- und Obersilur an-
hielt und dauernder war als in Skandinavien, wo während des Silurs
infolge der positiven und negativen Bewegungen mehrfache Verschiebung
der Wasser Versetzungen erfolgte und daher die Verteilung der Grapto-
lithenschiefer willkürlicher erscheint. Ähnlich dürften die Zustände im
Oberkambrium und untersten Silur in Skandinavien, gewesen sein, wo