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Nissl, Franz [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1911, 38. Abhandlung): Zur Lehre der Lokalisation in der Großhirnrinde des Kaninchens, 1: Völlige Isolierung der Hirnrinde beim neugeborenen Tiere — Heidelberg, 1911

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37471#0066
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66

Franz Nissl:

änderungen zu erörtern wäre, bei denen die für die gesunde Zelle
charakteristischen morphologischen Bestandteile erhalten sind,
bei denen aber das quantitative Verhalten eine Änderung er-
fahren hat, namentlich wenn diese „einfache" Atrophie sich
nicht in der Nervenzelle gleichartig äußert, sondern vorzugs-
weise in einem bestimmten Teile derselben, beispielsweise im
Spitzenfortsatze (wieder mit besonderer Vorliebe in den Zellen
der sechsten Schicht) zutage tritt. Ohne die Wichtigkeit dieser
histologischen resp. histopathologischen Einzelheiten zu ver-
kennen, dürften diese für die Schlußfolgerungen, auf die sich die
im zweiten Teile zu schildernden Experimente gründen, nur eine
untergeordnete Bedeutung haben.
Meine Einschränkungen und Hinweise auf noch recht un-
klare Verhältnisse berühren nicht das wichtige Ergebnis der mit-
geteilten Experimente, daß trotz absoluter Funktionsun-
möglichkeit die Rinde sich weiterentwickelt, und zwar
in allen ihren Schichten. Um diese Tatsache recht anschau-
lich zu machen, habe ich bei den hier mitgeteilten Stichproben
aus verschiedenen areae das entsprechende Bild vom neuge-
borenen Tier beigefügt. Ein Vergleich solcher Rindendurchschnitle
mit denjenigen der isolierten Hemisphäre zeigt, zur Evidenz, daß
die gleiche Zweiteilung in einen äußeren Teil, der durch die
Isolierung relativ wenig, und einen inneren Teil, der durch unseren
experimentellen Eingriff ungleich stärker in Mitleidenschaft ge-
zogen wird, auch in der Rinde des Neugeborenen zum Aus-
druck kommt. Auch das geht aus der Betrachtung der Rinde
des Neugeborenen ohne weiteres hervor, daß der innere Teil
in der Entwicklung ungleich weiter vorgeschritten ist, als der
äußere Teil. Trotzdem entwickelt, sich letzterer, ohne je in Funktion
treten zu können, weiter und erreicht das gleiche Aussehen
wie die Rinde der nicht isolierten Seite. Aus unseren Bildern
ergibt sich weiterhin, daß eine spätere Verkümmerung der
entwickelten Rinde nicht, einlritt. Man vergleiche nur die Rinden-
bildcr von Tieren, die nach einigen Monaten getötet wurden oder
gestorben sind mit denjenigen, die bis zu drei Jahren mit ihrer
isolierten Rinde gelebt haben.
Die Immanenz des Bildungsmateriales der Rinde ist
geradezu enorm. Ein kleinstes, bei der Operation unbeabsichtigt
isoliertes Rindenstückchen, das zufällig noch mit. der Pia der
Umgebung zusammenhängt und weiter ernährt wird, zeigt aller-
 
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