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Klebs, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 5. Abhandlung): Über das Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen: eine theoretische Betrachtung — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37628#0030
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30 (B. 5.)

G. Klebs.

durch langsameres Wachstum herabzusetzen. Dieses merkwür-
dige autonome Vermögen ist der „deus“, den sich Jost erfindet,
um meinen Schlußfolgerungen zu entgehen. Man sieht ohne wei-
teres ein, daß das Problem durch diesen Glauben an ein solches
Vermögen gar nicht beantwortet, sondern nur als unlösbar in den
Hintergrund geschoben wird. Denn es bleibt immer die Frage .
offen, warum es der Pflanze einfällt, plötzlich zu ruhen unter
angeblich allgemein günstigen Bedingungen der Außenwelt. Meine
Versuche lehren für bestimmte Fälle, daß das Problem bis
zu einem gewissen Grade beantwortet werden kann, und zwar
im entgegengesetzten Sinne, als Jost es annimmt. Eine tropische
Pflanze wie Terminalia catappa muß unaufhörlich wachsen, so-
bald man ihr günstige Bodenernährung gewährt, sogar in unserem
Winter mit relativ schwachem Licht. Sie hat demnach nicht das
Vermögen, unter solchen Bedingungen sich von „selbst“ zur Ruhe
zu zwingen. Dieselbe Pflanze verfällt monatelang in den Tropen
der Ruhe, sogar bei sehr günstigen Bedingungen des Lichtes, der
Temperatur, der Feuchtigkeit. Sie hat also nicht das Vermögen,
sich so einzurichten, daß sie unter den Umständen fortwächst;
sie kann es nach meiner Meinung nicht, weil die Verhältnisse des
Bodens nicht konstant günstig sind. Die Außenwelt entscheidet
darüber, ob die Pflanze wächst oder ruht.
Indessen stoßen wir bei der Untersuchung der Ruheperiode
unserer einheimischen Bäume auf sehr viel größere Schwierig-
keiten. Die Winterknospen der Eiche, der Buche usw. lassen sich
im Herbst auch durch günstige Bedingungen nicht zur Entfaltung
bringen; sie gehen auch bereits im Sommer in den Ruhezustand
über. Diese Tatsachen bilden die Hauptstütze für die Anschauung
eines erblich fixierten Rhythmus, der sich unabhängig von der
Außenwelt vollzieht. Um der Unbegreiflichkeit zu entgehen, daß
eine solche Ruhe im Winter überhaupt ohne Beziehung zu der
Jahreszeit entstanden sein sollte, könnte man sagen, daß die
Eigenschaft, zu bestimmter Zeit zu ruhen, ursprünglich durch
das Klima hervorgerufen, dann aber zu einem erblichen Merkmal
geworden sei. Man erkennt aber, daß diese Ansicht nur eine
Verschiebung des Problems bedeutet und zugleich voraussetzt,
daß die Ruhe notwendig in der spezifischen Struktur begründet
sei. Das ist gerade die Frage, ob wir auf Grund der angeführten
Tatsachen gezwungen sind es anzunehmen. Theoretisch läßt sich
keine Entscheidung treffen; man kann nur sagen, daß die bis-
 
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