Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen. (B. 5.) 33
Diese Darlegung soll noch durch ein Beispiel erläutert werden,
das die Beziehungen der Ruheperiode zur Außenwelt besonders
klar illustriert. Crepis bulbosa wächst auf den heißen Kalkhügeln
Südfrankreichs zur Frühjahrszeit und ruht von Beginn der heißen
Zeit in Form von Knollen. Bei der Kultur im Garten bemerkte
ich, daß die Pflanze in feuchtem, nährsalzreichem Boden während
des ganzen Sommers sehr üppig fortwächst, wobei sie in Form dün-
ner, weißer, unterirdischer Rhizome den Boden weithin durchzieht
und ihre Blätter über die Erde ausbildet. Die Pflanze wuchs aber
ebenso in den Wintermonaten, z. B. als ich sie nach Buitenzorg
(Java) mitnahm und dort von Oktober bis Februar kultivierte.
Nach dieser Beobachtung versuchte ich die Crepis auch in unserem
Winter wachsen zu lassen. In einem nicht sehr feuchten Gewächs-
haus wächst sie in der Tat ununterbrochen in Form der Rhizome
weiter, vorausgesetzt, daß man von Zeit zu Zeit die Erde wechselt.
In der spezifischen Struktur der Pflanze existiert
demgemäß keine Einrichtung zur Ruhe über zu gehen,
sie muß wachsen ebenso wie ein Pilz oder eine Alge, solange
die entsprechenden äußeren Bedingungen herrschen.
Zu jeder Zeit kann man aber die Pflanze zur Ruhe zwingen,
sobald man sie in einen nährsalzarmen Sandboden versetzt oder
in einem kleinen Topf mit begrenzter Erdmenge unberührt
läßt. Da Trockenheit des Bodens die Nährsalzaufnahme behindert,
so wirkt sie in gleichem Sinne um die Ruhe hervorzurufen. An den
Rhizomen entstehen am Ende oder aus Seitenknospen kleine,
eiförmige Knöllchen. Infolge der Nährsalzarmut wird das Wachs-
tum eingeschränkt, die Blätter fahren dabei fort zu assimilieren,
und die organischen Stoffe hänfen sich in den Vegetationspunkten
an, so daß dann die Knollenbildung eintritt. Wenn die Konzentration
des Inulins, das hier als Speicherstoff auftritt, noch nicht zu weit
vorgeschritten ist, so kann man noch ein Wachstum der jungen
Knollen erreichen. Es genügt, sie dem Licht auszusetzen, das der
Knollenbildung entgegenwirkt, wie bereits Vöchting (1887) für
die Knollen der Kartoffel nachgewiesen hat. Sobald aber die
Knollen fertig ausgebildet sind, so müssen sie einige Wochen
ruhen; es gelang noch nicht ein Mittel auszufinden, das die Ruhe
sofort aufzuheben vermag. Wir erkennen daraus, daß bei der
gegebenen Pflanze die Außenwelt darüber entscheidet, ob sie un-
aufhörlich wachsen oder zeitweilig in Ruhe übergehen muß, und
daß die Außenwelt im letzten Falle den inneren Bedingungen eine
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akademie, math.-naturw. Kl ■ B. 1913. 5. Abh.
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Diese Darlegung soll noch durch ein Beispiel erläutert werden,
das die Beziehungen der Ruheperiode zur Außenwelt besonders
klar illustriert. Crepis bulbosa wächst auf den heißen Kalkhügeln
Südfrankreichs zur Frühjahrszeit und ruht von Beginn der heißen
Zeit in Form von Knollen. Bei der Kultur im Garten bemerkte
ich, daß die Pflanze in feuchtem, nährsalzreichem Boden während
des ganzen Sommers sehr üppig fortwächst, wobei sie in Form dün-
ner, weißer, unterirdischer Rhizome den Boden weithin durchzieht
und ihre Blätter über die Erde ausbildet. Die Pflanze wuchs aber
ebenso in den Wintermonaten, z. B. als ich sie nach Buitenzorg
(Java) mitnahm und dort von Oktober bis Februar kultivierte.
Nach dieser Beobachtung versuchte ich die Crepis auch in unserem
Winter wachsen zu lassen. In einem nicht sehr feuchten Gewächs-
haus wächst sie in der Tat ununterbrochen in Form der Rhizome
weiter, vorausgesetzt, daß man von Zeit zu Zeit die Erde wechselt.
In der spezifischen Struktur der Pflanze existiert
demgemäß keine Einrichtung zur Ruhe über zu gehen,
sie muß wachsen ebenso wie ein Pilz oder eine Alge, solange
die entsprechenden äußeren Bedingungen herrschen.
Zu jeder Zeit kann man aber die Pflanze zur Ruhe zwingen,
sobald man sie in einen nährsalzarmen Sandboden versetzt oder
in einem kleinen Topf mit begrenzter Erdmenge unberührt
läßt. Da Trockenheit des Bodens die Nährsalzaufnahme behindert,
so wirkt sie in gleichem Sinne um die Ruhe hervorzurufen. An den
Rhizomen entstehen am Ende oder aus Seitenknospen kleine,
eiförmige Knöllchen. Infolge der Nährsalzarmut wird das Wachs-
tum eingeschränkt, die Blätter fahren dabei fort zu assimilieren,
und die organischen Stoffe hänfen sich in den Vegetationspunkten
an, so daß dann die Knollenbildung eintritt. Wenn die Konzentration
des Inulins, das hier als Speicherstoff auftritt, noch nicht zu weit
vorgeschritten ist, so kann man noch ein Wachstum der jungen
Knollen erreichen. Es genügt, sie dem Licht auszusetzen, das der
Knollenbildung entgegenwirkt, wie bereits Vöchting (1887) für
die Knollen der Kartoffel nachgewiesen hat. Sobald aber die
Knollen fertig ausgebildet sind, so müssen sie einige Wochen
ruhen; es gelang noch nicht ein Mittel auszufinden, das die Ruhe
sofort aufzuheben vermag. Wir erkennen daraus, daß bei der
gegebenen Pflanze die Außenwelt darüber entscheidet, ob sie un-
aufhörlich wachsen oder zeitweilig in Ruhe übergehen muß, und
daß die Außenwelt im letzten Falle den inneren Bedingungen eine
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akademie, math.-naturw. Kl ■ B. 1913. 5. Abh.
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