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https://doi.org/10.11588/diglit.34092#0008
8(B. 3)
Th. Leber:
im Ausstrecken von Fortsätzen und Nachziehen des Körpers be-
stehen, auf der Seite der stärkeren Konzentration der wirksamen
Substanz intensiver sind afs auf der entgegengesetzten, wodurch
wohl die Richtung der Bewegung bestimmt werden kann. Doch
fragt es sich, ob diese Erklärung ausreicht. Es wäre aber müßig,
sich darüber in Vermutungen zu ergehen, da wir uns doch von der
Organisation des Protoplasmas, auf welcher das Zustandekommen
dieser Bewegungen beruht, noch keine befriedigende Vorstellung
bilden können.
Im Bereich der Pathologie ist die Beteiligung der Che-
motaxis an den Vorgängen der eitrigen Entzündung wohl
bekannt. Pathologisch-anatomische Untersuchungen an der Netz-
haut des Auges lassen aber annehmen, daß sie auch bei gewissen
chronischen Entzündungs- und Degenerationsprozes-
sen eine wichtige Rolle spielt, wobei aber ganz anders-
artige Zellen als bei jener die Träger der Bewegungserschei-
nungen sind. Wir stehen aber hier erst im Anfang unserer Kennt-
nisse, und ich möchte daher auf dieses Gebiet erst nachher ein-
gehen, nachdem ich Ihnen durch Besprechung der eitrigen Entzün-
dung einen Überblick über die sicher feststehenden Tatsachen
auf diesem Gebiete gegeben habe.
Ich möchte daher zunächst versuchen, durch eine kurze
Schilderung der Vorgänge bei der eitrigen Entzündung
Ihnen die Rolle zu verdeutlichen, welche die Chemotaxis
bei der Abwehr äußerer Schädlichkeiten, insbesondere
der Wirkungen durch Verletzung in den Körper einge-
drungener Mikroorganismen spielt. Wenn ich Sie hier einen
Blick tun lasse in diese Vorgänge des mikroskopisch Kleinen, die
manchem von Ihnen fremdartig erscheinen werden, so muß ich
von vornherein um Ihre Nachsicht bitten, weil es schwer ist, mit
Worten und ohne Hilfe von Abbildungen, auf die ich heute leider
verzichten muß, eine Vorstellung von den zu besprechenden Ge-
bilden und ihren Bewegungserscheinungen zu geben.
Der erste Schritt zur Erkenntnis der chemotaktischen Vor-
gänge bei der eitrigen Entzündung war die Entdeckung der Aus-
wanderung der weißen Blutkörperchen aus den Blut-
gefäßen durch J. CoHNHEiM. Das Produkt dieser Form der
Entzündung, der Eiter, ist eine gelbe Flüssigkeit, welche, ähnlich
dem Blut, in einer klaren, eiweiß- und salzhaltigen Lösung
Th. Leber:
im Ausstrecken von Fortsätzen und Nachziehen des Körpers be-
stehen, auf der Seite der stärkeren Konzentration der wirksamen
Substanz intensiver sind afs auf der entgegengesetzten, wodurch
wohl die Richtung der Bewegung bestimmt werden kann. Doch
fragt es sich, ob diese Erklärung ausreicht. Es wäre aber müßig,
sich darüber in Vermutungen zu ergehen, da wir uns doch von der
Organisation des Protoplasmas, auf welcher das Zustandekommen
dieser Bewegungen beruht, noch keine befriedigende Vorstellung
bilden können.
Im Bereich der Pathologie ist die Beteiligung der Che-
motaxis an den Vorgängen der eitrigen Entzündung wohl
bekannt. Pathologisch-anatomische Untersuchungen an der Netz-
haut des Auges lassen aber annehmen, daß sie auch bei gewissen
chronischen Entzündungs- und Degenerationsprozes-
sen eine wichtige Rolle spielt, wobei aber ganz anders-
artige Zellen als bei jener die Träger der Bewegungserschei-
nungen sind. Wir stehen aber hier erst im Anfang unserer Kennt-
nisse, und ich möchte daher auf dieses Gebiet erst nachher ein-
gehen, nachdem ich Ihnen durch Besprechung der eitrigen Entzün-
dung einen Überblick über die sicher feststehenden Tatsachen
auf diesem Gebiete gegeben habe.
Ich möchte daher zunächst versuchen, durch eine kurze
Schilderung der Vorgänge bei der eitrigen Entzündung
Ihnen die Rolle zu verdeutlichen, welche die Chemotaxis
bei der Abwehr äußerer Schädlichkeiten, insbesondere
der Wirkungen durch Verletzung in den Körper einge-
drungener Mikroorganismen spielt. Wenn ich Sie hier einen
Blick tun lasse in diese Vorgänge des mikroskopisch Kleinen, die
manchem von Ihnen fremdartig erscheinen werden, so muß ich
von vornherein um Ihre Nachsicht bitten, weil es schwer ist, mit
Worten und ohne Hilfe von Abbildungen, auf die ich heute leider
verzichten muß, eine Vorstellung von den zu besprechenden Ge-
bilden und ihren Bewegungserscheinungen zu geben.
Der erste Schritt zur Erkenntnis der chemotaktischen Vor-
gänge bei der eitrigen Entzündung war die Entdeckung der Aus-
wanderung der weißen Blutkörperchen aus den Blut-
gefäßen durch J. CoHNHEiM. Das Produkt dieser Form der
Entzündung, der Eiter, ist eine gelbe Flüssigkeit, welche, ähnlich
dem Blut, in einer klaren, eiweiß- und salzhaltigen Lösung