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Leber, Theodor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1914, 3. Abhandlung): Über die Beteiligung der Chemotaxis bei pathologischen Vorgängen: Vortrag ... — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.34092#0003
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Die Überzeugung von der Zweckmäßigkeit der Einrichtungen
und Vorgänge des Organismus hat sich im Bereich der Pathologie
auffallend spät Geltung verschafft. Es hat zwar niemals an Vor-
stellungen gefehlt, welche auf Grund einer naiven Auffassung
alltäglicher Erfahrungen diesem Gedanken Ausdruck gaben. In
früheren Zeiten war bekanntlich die Ansicht weit verbreitet, daß
bei der Krankheit eine schädliche Substanz, eine sog. Materia
peccans, im Körper vorhanden sei, deren sich derselbe durch eine
Kraftanstrengung, durch eine Art von Kampf, zu entledigen
suche. Sobald aber die Wissenschaft daran gehen wollte, diesen
Vorgang zu analysieren, erwies er sich als unfaßbar; man konnte
weder angeben, was diese Materia peccans sei, noch wie sie in den
Körper gelange, noch ließen sich Organe oder Vorrichtungen be-
zeichnen, durch welche ihre Ausstoßung aus dem Körper bewirkt
werden sollte. Die Wissenschaft geriet bei dem Nachgrübeln über
diese Dinge auf Irrwege; man nahm eine Lebensseele an, die über
der Erhaltung des Organismus wachen und auf die Beseitigung
an ihm aufgetretener Schäden bedacht sein sollte, und die Zweck-
mäßigkeit der ihr zugeschriebenen Verrichtungen führte sogar
dazu, sie als sog. Archaeus zu personifizieren.
Es ist leicht einzusehen, daß richtigere und klare Vorstellun-
gen hierüber nicht Platz greifen konnten, so lange die Ursachen
der krankhaften Störungen so gut wie unbekannt waren. So wurde
bald die Krankheit selbst als ein dem Körper fremder Organismus
betrachtet, der in ihm wie in einem Besessenen sein Wesen trieb;
bald hob man hervor, daß die Krankheitsvorgänge doch nur aus
Äußerungen der Kräfte und Einrichtungen des Körpers bestünden,
daß die Krankheit somit nur Leben unter abnormen Bedingun-
gen sei.
Erst die Einsicht, daß der größte Teil der Krankheiten, und
gerade die wichtigsten und gefährlichsten derselben, auf der Wir-
kung für das bloße Auge unsichtbarer Mikroorganismen oder Mi-
krobien beruhen, welche in den Körper eindringen, sich in ihm
vermehren und ihn durch eigenartige, von ihnen erzeugte giftige
 
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