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Leber, Theodor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1914, 3. Abhandlung): Über die Beteiligung der Chemotaxis bei pathologischen Vorgängen: Vortrag ... — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.34092#0015
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Chemotaxis bei pathologischen Vorgängen. (B. 3) 15
welche die histologische Struktur der Netzhaut dabei erfährt,
einigermaßen unterrichtet sind, so waren doch bisher die näheren
Ursachen und die Entstehungsweise dieser krankhaften Verände-
rungen recht wenig aufgeklärt. Auch heute noch, über 60 Jahre
nach der Erfindung des Augenspiegels, müssen wir gestehen, daß
es sich um ihrem Wesen nach recht wenig verstandene
Krankheitsvorgänge handelt, und daß wir jetzt erst allmählich
dem Verständnis derselben näher kommen.
Es hat sich nun herausgestellt, daß auch bei diesen
Krankheitsprozessen Wanderungen von Zellen, durch
welche Widerstände von seiten des Gewebes überwunden werden,
sowie der Phagocytose nahestehende Vorgänge eine we-
sentliche Rolle spielen. Man darf wohl annehmen, daß diese
Vorgänge auch hier den Zwecken des Organismus dienstbar sind,
also in das Gebiet der Chemotaxis hinein gehören, wenn wir
auch über ihr Wesen und ihre Bedeutung noch lediglich auf Ver-
mutungen angewiesen sind.
Die hier vorkommenden Wanderzellen sind aber keine Leu-
kocyten; die Quelle derselben ist merkwürdigerweise das Pig-
mentepithel, eine einfache Schicht mosaikartig neben einander
liegender, pigmentierter Zellen zwischen Netzhaut und Aderhaut,
welche aus derselben Anlage wie die Netzhaut hervorgeht und die
wichtige Funktionen bei dem Sehakt zu erfüllen hat. Ver-
möge ihres Pigmentgehalts absorbiert diese Schicht das zerstreute
Licht, welches die Schärfe der auf der lichtempfindlichen Schicht
der Netzhaut entstehenden Bilder stören würde. Um diese Wir-
kung noch zu verstärken, senden diese Zellen bei greller Beleuch-
tung feine Fortsätze aus, welche zwischen die lichtempfindlichen
Stäbchen und Zapfen Vordringen und sie optisch von einander
isolieren. Bei gedämpfter Beleuchtung, wo eine so starke Abblen-
dung nicht nötig ist, ziehen sich die Fortsätze wieder zurück;
man hat es also hier mit dem der Chemotaxis analogen
Vorgang der Phototaxis zutun. Außerdem fällt dem Pigment-
epithel auch ein Anteil an der Regeneration des Sehpur-
purs zu. Um so bemerkenswerter ist, daß diese Zellenschicht
auch bei pathologischen Vorgängen aktiv beteiligt ist.
Es ist schon lange bekannt, daß in die Netzhaut ein-
wandernde Abkömmlinge dieser Schicht die schwarze
Pigmentierung erzeugen, welche das charakteristische
 
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