Die Einladung Ihres Herrn Sekretärs, in diesem auserlesenen
Kreise bewährter Forscher ein Bild JuLius ARNOLDS, Ihres ein-
stigen Mitgliedes, zu zeichnen, glaubte ich so verstehen zu sollen,
daß ich den geliebten Meister, der jedem Personenkult abhold
war, in seiner Werkstatt bei der ArbeiU aufsuche. ARNOLDS Lebens-
arbeit ist kein einheitliches Werk, geschweige denn ein System.
Auch in der wissenschaftlichen Medizin gehen die besten Anregun-
gen vom Krankenbett und vom Sektionstisch aus, und die Fülle
der Gesichte hei der täglichen Berufsarbeit hält einen so in Bann,
daß man sich nur schwer und selten in die hohen Gefilde rein
theoretischer Gedankengänge erhebt. Aber das ist gut so und ist
der tiefere Grund, warum unsere deutschen Universitäten sich
nicht haben entschließen können, nach dem Beispiel anderer
Staaten die Lehrstühle und Anstalten für pathologische Anato-
mie und die für allgemeine Pathologie zu trennen, weil diesen
letzteren dann die unerschöpfliche Quelle der täglichen Erfahrung
versiegen müßte. Denn in ihren Methoden ist die Medizin nie
selbständig gewesen. Da dem Menschen der Mensch selbst doch
immer als wichtigster Gegenstand in jeder Hinsicht erschien, so
findet die Medizin ihre Daseinsberechtigung in der Würde ihres
Gegenstandes, nicht im Wert ihrer Methode. Denn Methode heißt
das Einschlagen und Verfolgen eines Weges, und darin ist die Me-
dizin nie bahnbrechend und pfadfindend gewesen, sondern hat zu
allen Zeiten gebahnte Wege betreten. Sie holt ihre Methoden bei
den Wissenschaften, die in der Erforschung der Natur am tiefsten
schürfen, und zieht ihre Nutzanwendung auf den Menschen, das
ihrer Obhut anvertraute würdige Objekt. Daher stammt ihre Ab-
hängigkeit vom Zeitgeist, von den herrschenden Geistesströmun-
gen in den grundlegenden Naturwissenschaften, die ihre Schritt-
macher sind. Einzig der neueren Serumforschung kann man eine
gewisse Selbständigkeit und Originalität nachrühmen, aber die aus
ihr entspringende und sie wiederum beherrschende Theorie ist ganz
i Die wissenschaftlichen Arbeiten Jumus ARNOLDS und des Heidelb.
Pathol. Instituts, ZiEGLERS Beiträge z. path. Anat. Suppl. VII. 1905 und
ARNOLD: Plasmastrukturen. Jena 1914.
l*
Kreise bewährter Forscher ein Bild JuLius ARNOLDS, Ihres ein-
stigen Mitgliedes, zu zeichnen, glaubte ich so verstehen zu sollen,
daß ich den geliebten Meister, der jedem Personenkult abhold
war, in seiner Werkstatt bei der ArbeiU aufsuche. ARNOLDS Lebens-
arbeit ist kein einheitliches Werk, geschweige denn ein System.
Auch in der wissenschaftlichen Medizin gehen die besten Anregun-
gen vom Krankenbett und vom Sektionstisch aus, und die Fülle
der Gesichte hei der täglichen Berufsarbeit hält einen so in Bann,
daß man sich nur schwer und selten in die hohen Gefilde rein
theoretischer Gedankengänge erhebt. Aber das ist gut so und ist
der tiefere Grund, warum unsere deutschen Universitäten sich
nicht haben entschließen können, nach dem Beispiel anderer
Staaten die Lehrstühle und Anstalten für pathologische Anato-
mie und die für allgemeine Pathologie zu trennen, weil diesen
letzteren dann die unerschöpfliche Quelle der täglichen Erfahrung
versiegen müßte. Denn in ihren Methoden ist die Medizin nie
selbständig gewesen. Da dem Menschen der Mensch selbst doch
immer als wichtigster Gegenstand in jeder Hinsicht erschien, so
findet die Medizin ihre Daseinsberechtigung in der Würde ihres
Gegenstandes, nicht im Wert ihrer Methode. Denn Methode heißt
das Einschlagen und Verfolgen eines Weges, und darin ist die Me-
dizin nie bahnbrechend und pfadfindend gewesen, sondern hat zu
allen Zeiten gebahnte Wege betreten. Sie holt ihre Methoden bei
den Wissenschaften, die in der Erforschung der Natur am tiefsten
schürfen, und zieht ihre Nutzanwendung auf den Menschen, das
ihrer Obhut anvertraute würdige Objekt. Daher stammt ihre Ab-
hängigkeit vom Zeitgeist, von den herrschenden Geistesströmun-
gen in den grundlegenden Naturwissenschaften, die ihre Schritt-
macher sind. Einzig der neueren Serumforschung kann man eine
gewisse Selbständigkeit und Originalität nachrühmen, aber die aus
ihr entspringende und sie wiederum beherrschende Theorie ist ganz
i Die wissenschaftlichen Arbeiten Jumus ARNOLDS und des Heidelb.
Pathol. Instituts, ZiEGLERS Beiträge z. path. Anat. Suppl. VII. 1905 und
ARNOLD: Plasmastrukturen. Jena 1914.
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