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Ernst, Paul; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1916, 5. Abhandlung): Julius Arnold in seinen Arbeiten: Vortrag ... — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34600#0006
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6 (B. 5)

P. ERNST:

logie von der Anatomie bewirkt und HELMHOLTZ zur Übernahme
der Physiologie vorgeschlagen hatte, so wünschte jetzt FRIED -
REICH 1866 die pathologische Anatomie abzugeben, und zwar an
ARNOLD, der sich dazu unter ihm selbst und bei ViRCHOw vor-
bereitet hatte. Seit genau 50 Jahren besteht also hier ein selb-
ständiger Lehrstuhl für pathologische Anatomie. Gönnen Sie mir
die Freude, diese Gedächtnisfeier im Andenken ARNOLDS zu be-
gehen. Nun ging es ihm wie es seiner Wissenschaft gegangen ist.
Im Anfang reizt das Außergewöhnliche, das Auffallende, das
Monströse, und erst später auf der Stufe der Reife erblickt man
das Wunderbare im Alltäglichen. Die Mißbildungen machen
ihm Eindruck und reizen ihn zur Untersuchung. Er beschreibt
ein Herz ohne Kammerscheidewand, ein anderes mit defekter
Vorhofscheidewand und partiellem Mangel der Kammerscheide-
wand, so daß eine gemeinsame venöse Mündung mit 5 Klappen
statt zweier getrennten Ostien vorhanden war, und das alles bei
einem 42jährigen Manne, der zeitlebens blausüchtig war. Der
Fund regt ihn zu selbständigen embryologischen Untersuchungen
an, die ergeben, daß im Anfang des 3. Schwangerschaftsmonates
die Kammerscheidewand vollständig ausgebildet und dadurch die
Scheidung des früher gemeinsamen Ostium venosum vollzogen
ist. Seine vergleichenden Hinweise auf parallele Zustände im
Batrachierherz mit einem Ostium und Ophidierherz mit zwei
Ostien verraten uns, daß er diese Mißbildungen als Hemmungs-
bildungen auffaßt. Wie schon WiLLiAM HARVEY im 17. Jahrhun-
dert sich dachte, aber im Anfang des 19. Jahrhunderts JoH.
FRiEDR. MECKEL systematisch ausführte, sind die meisten und
wichtigsten Mißbildungen Folgen von Hemmungen in der Ent-
wicklungsperiode. MECKEL stellte 1811 den Grundsatz auf, daß
die höheren Tiere in ihrer Entwicklung die einfacheren Formen
der Tierreihe durchlaufen, so daß Parallelen zwischen dem Ent-
wicklungskreis der Embryonen der höheren Tiere und den Stufen
der Tierreihe bestünden, oder wie C. E. v. BvER sich ausdrückte,
Parallelen zwischen der individuellen Metamorphose und derjeni-
gen des Tierreichs. Diese Anschauungen verdichteten sich in
unseren Tagen zu HvECKELS berühmtem biogenetischen Grund-
gesetz, dem zufolge die Ontogenie (Keimesgeschichte) eine Reka-
pitulation der Phylogenie (Stammesgeschichte) wäre. Diese
Rekapitulationstheorie, wie sie nach MECKEL auch genannt wird,
sieht in den embryonalen Stadien eine Wiederholung der Vorfahren-
 
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