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Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1918, 3. Abhandlung): Die vermutliche Lösung der Halterenfrage — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.38878#0004
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4 (B. 3)

W. v. Buddenbrook :

geordnetes Fliegen unmöglich machen müßte. Merkwürdigerweise
wurde aber von den verschiedenen Autoren, die sich zu dieser
Ansicht bekannten, stets übersehen, daß zum Fliegen außer dem
Steuern und der Erhaltung des Gleichgewichts noch ein Drittes
gehört, nämlich eine gewisse Energie der Flügelbewegung, welche
die Körperschwere des Insekts und den Luftwiderstand über-
winden muß.
Wir werden nun im folgenden sehen, daß gerade hierin die
Lösung der Halterenfrage hegen dürfte. Die halterenlose Fliege
besitzt zum Fliegen nicht mehr die nötige Kraft. Der experimen-
telle Beweis dieser Auffassung ist vorerst freilich nur für eine Art
sichergestellt, nämlich für Sarcophaga carnaria, die gewöhnliche
graue Fleischfliege. Reißt man diesem Tiere die Halteren aus,
nachdem man ihm vorher die Beine amputiert hat, so ist es nicht
nur flugunfähig geworden, sondern es kann seine Flügel über-
haupt nicht mehr ordentlich bewegen. Die Flügel sind in weit-
gehendstem Maße gelähmt. Es hegt dies nun nicht etwa an einer
Shokwirkung, die durch den schweren Eingriff der Beinampu-
tation bedingt wäre. Beinlose Fliegen, die ihre Halteren noch be-
sitzen, vermögen genau so gut zu fliegen wie normale; nimmt
man aber einem solchen Tiere jetzt' noch die Halteren, so tritt
sofort die beschriebene Flügellähmung ein, die somit auf Kosten
der Halterenoperation allein zu setzen ist.
Bei den übrigen Fliegen ist eine so weitgehende Lähmung
unter den gleichen Verhältnissen nicht zu beobachten, wohl aber
Andeutungen einer solchen, die den Schluß rechtfertigen, daß im
Prinzip die Halteren bei ihnen ebenso wirken wie bei Sarcophaga.
Es ist selbstverständlich, daß diese sehr eigentümliche Er-
scheinung nicht durch die von den früheren Autoren behauptete
Funktion der Halteren als Steuer- und Gleichgewichtsorgane er-
klärt werden kann. Wir müssen uns also nach einer anderen
Deutung umsehen. Ich nehme an, daß die Halteren in die Kategorie
der tonuserzeugenden Organe gehören, also ähnlich wirken wie
die Statozysten der Wirbellosen, das Ohrlabyrinth der Wirbel-
tiere oder wie die Sinneskölbchen der Medusen. Alle diese Organe
senden fortdauernd erregende Impulse zu den betreffenden Muskeln.
Fallen diese Reize fort, so wird die Kraft der Muskeln meßbar
geringer oder sie reagieren im extremen Falle überhaupt nicht
mehr. Besonders mit den Sinneskölbchen der Medusen zeigen
 
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