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Vogt, Cécile; Vogt, Oskar; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1919, 14. Abhandlung): Zur Kenntnis der pathologischen Veränderungen des Striatum und des Pallidum und zur Pathophysiologie der dabei auftretenden Krankheitserscheinungen — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.36566#0038
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38 (B.14)

CECILE und OSKAR VOGT:

Wie nun die im vorigen Abschnitt durchgeführte Analyse der
bei Erkrankungen des Striatum auftretenden klinischen Sym-
ptome gezeigt hat, wird diese theoretisch abgeleitete Forderung tat-
sächlich ausnahmslos erfüllt. Wir konnten in allen anatomisch
von uns untersuchten Erkrankungsformen den Ausfall primärer
Automatismen feststellen. Darauf führten wir einen Teil der leicht en
Abnahme der motorischen Kraft, darauf das Unterbleiben des
Mienen- und Gestenspiels, der Positions- und Blickänderungen
und gewisser Schutz- und Abwehrbewegungen zurück. Dabei ist
der genaue Weg, den diese Reflexe beim Verlassen des Pallidum
einschlagen, vorläufig noch unbekannt. Nur für die Blickänderung
dürfte in den oben geschilderten Fasern zu den Ursprungs-
gebieten der imTractus longitudinalis dorsalis verlaufenden Fasci-
culi commissuro-medialis et interstitio-spinalis die postulierte Bahn
aufgedeckt sein.
Unter den akinetischen Störungen seien dann aber noch die
Sprach- und die Gehstörungen einer besonderen Bemerkung
gewürdigt. Wir haben oben darauf hingewiesen, daß wir keinen
Anhaltepunkt dafür haben, daß im menschlichen Striatum gewisse,
bestimmten Muskeln zugeteilte Partien eine spezifisch mensch-
liche Entwicklung durchmachen, sondern daß das menschliche
Striatum vollständig den Charakter des Cercopithecinenstriatum
bewahrt hat. Wir müssen deshalb auch die Ansicht zurückweisen,
daß etwa im Striatum ein Sprachzentrum oder ein solches für
den aufrechten Gang vorhanden sei. Die Tatsache, daß neben
der Sprache auch das Schlucken eine ebenso intensive Störung
erfahren kann, weist uns vielmehr auf den unserer Ansicht nach
richtigen Weg: nämlich zu der Auffassung, daß diese Coordinations-
störungen auf den Ausfall von niederen Automatismen beruhen,
welche aus phylogenetisch früher Zeit erhalten geblieben und in den
Ablauf der allmählich entstandenen corticalen Bewegungen hinein-
geflochten sind. Die experimentelle Physiologie macht dabei durch-
aus wahrscheinlich, daß speziell für den aufrechten Gang die schon
eben erwähnte Faserverbindung mit dem Tractus longitudinalis
dorsalis wenigstens einen Teil des einschlägigen Reflexweges dar-
stellt.
Wenden wir uns nunmehr der Pathophysiologie der Hyper-
kinesen des Striatumsyndroms zu! Auch für sie kann die Ana-
logie zwischen Erkrankungen der ,,motorischen Region" und der-
jenigen des Striatum nutzbar gemacht werden. Wir haben bisher
 
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