Das Lebenswerk Otto Bütschlis.
(B. 1) 11
Am Schlüsse dieser Übersicht meines wissenschaftlichen
Lebenswerks muß ich noch einer kurzen Epoche gedenken, in der
ich mich auf das Feld der philosophischen Betrachtungen ver-
locken ließ, um es jedoch bald wieder zu verlassen und zur beob-
. achtenden Tätigkeit zurückzukehren. Im Jahre 1901 folgte ich
der ehrenvollen Aufforderung auf dem internationalen Zoologen-
kongreß in Berlin einen Vortrag zu halten, zu welchem ich das
verfängliche Thema ,,Mechanismus und Vitalismus“ wählte
(19011). Es war mir damals eine Herzenssache, gegenüber den
vitalistischen Bestrebungen der Neuzeit, auch die Berechtigung
des Mechanismus oder sagen wir lieber die Berechtigung der
Erklärung der Lebenserscheinungen auf Grund der in der anorga-
nischen Natur herrschenden Gesetzmäßigkeiten zu verteidigen.
Überzeugt habe ich mit dieser Schrift wohl keinen Vitalisten;
denn die Stellungnahme zu den sich befehdenden Anschauungen
ist eine Überzeugungsfrage hinsichtlich der Möglichkeit auf dem
einen oder dem anderen Wege in der Zukunft das vorgesteckte
Ziel zu erreichen oder vielmehr wohl ein Problem, das sich direkt
nie völlig lösen läßt, da das Psychische nur auf Grund einer Hypo-
these mit dem Physischen in Verbindung gebracht werden kann.
Die Beschäftigung mit diesem Problem führte mich jedoch zu
zwei rein philosophischen Studien, in denen ich vom Standpunkt
des Naturforschers aus gewisse Grundfragen über Begriffsbildung
und den Kausalitätsbegriff behandelte (19043, 19052). Schon 1896
hatte ich versucht das Verhältnis zwischen Beobachtung und Hypo-
these (18964) zu erläutern und damit das philosophische Gebiet
versuchsweise betreten; im folgenden Jahre (1897) berichtigte ich
einen Irrtum oder eine Ungenauigkeit, die ich in dieser kleinen
Schrift begangen hatte. Später (1909) erörterte ich kurz meine
Anschauungen über das, was man häufig „Glauben“ in der Natur-
wissenschaft genannt hat, indem ich auszuführen suchte, daß es
sich hierbei nur um „Vermuten“ handelt, nicht Glauben im stren-
geren Sinne.
Daß jene philosophischen Schriften irgend eine Wirkung
geäußert hätten, kann ich wenigstens bis jetzt nicht finden, was
ja auch natürlich ist. Der Philosoph beachtet sie nicht, da sie
von vornherein als die Betrachtungen eines Nichtzünftigen ver-
dächtig erscheinen und die Naturforscher, besonders die sogen,
exakten, stehen philosophischen Erörterungen in ihrer Mehrzahl
skeptisch gegenüber. Es fiel mir daher nicht schwer, nach diesen
(B. 1) 11
Am Schlüsse dieser Übersicht meines wissenschaftlichen
Lebenswerks muß ich noch einer kurzen Epoche gedenken, in der
ich mich auf das Feld der philosophischen Betrachtungen ver-
locken ließ, um es jedoch bald wieder zu verlassen und zur beob-
. achtenden Tätigkeit zurückzukehren. Im Jahre 1901 folgte ich
der ehrenvollen Aufforderung auf dem internationalen Zoologen-
kongreß in Berlin einen Vortrag zu halten, zu welchem ich das
verfängliche Thema ,,Mechanismus und Vitalismus“ wählte
(19011). Es war mir damals eine Herzenssache, gegenüber den
vitalistischen Bestrebungen der Neuzeit, auch die Berechtigung
des Mechanismus oder sagen wir lieber die Berechtigung der
Erklärung der Lebenserscheinungen auf Grund der in der anorga-
nischen Natur herrschenden Gesetzmäßigkeiten zu verteidigen.
Überzeugt habe ich mit dieser Schrift wohl keinen Vitalisten;
denn die Stellungnahme zu den sich befehdenden Anschauungen
ist eine Überzeugungsfrage hinsichtlich der Möglichkeit auf dem
einen oder dem anderen Wege in der Zukunft das vorgesteckte
Ziel zu erreichen oder vielmehr wohl ein Problem, das sich direkt
nie völlig lösen läßt, da das Psychische nur auf Grund einer Hypo-
these mit dem Physischen in Verbindung gebracht werden kann.
Die Beschäftigung mit diesem Problem führte mich jedoch zu
zwei rein philosophischen Studien, in denen ich vom Standpunkt
des Naturforschers aus gewisse Grundfragen über Begriffsbildung
und den Kausalitätsbegriff behandelte (19043, 19052). Schon 1896
hatte ich versucht das Verhältnis zwischen Beobachtung und Hypo-
these (18964) zu erläutern und damit das philosophische Gebiet
versuchsweise betreten; im folgenden Jahre (1897) berichtigte ich
einen Irrtum oder eine Ungenauigkeit, die ich in dieser kleinen
Schrift begangen hatte. Später (1909) erörterte ich kurz meine
Anschauungen über das, was man häufig „Glauben“ in der Natur-
wissenschaft genannt hat, indem ich auszuführen suchte, daß es
sich hierbei nur um „Vermuten“ handelt, nicht Glauben im stren-
geren Sinne.
Daß jene philosophischen Schriften irgend eine Wirkung
geäußert hätten, kann ich wenigstens bis jetzt nicht finden, was
ja auch natürlich ist. Der Philosoph beachtet sie nicht, da sie
von vornherein als die Betrachtungen eines Nichtzünftigen ver-
dächtig erscheinen und die Naturforscher, besonders die sogen,
exakten, stehen philosophischen Erörterungen in ihrer Mehrzahl
skeptisch gegenüber. Es fiel mir daher nicht schwer, nach diesen