Metadaten

Kossel, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1921, 1. Abhandlung): Über die Beziehung der Biochemie zu den morphologischen Wissenschaften: Rede ... — Heidelberg, 1921

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41199#0012
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

A. Kossel:

abgeleitet werden. Während die primären Zellprodukte eine kon-
tinuierliche Verbreitung durch die ganze Reihe der lebenden Wesen
zeigen, treten die sekundären oft sprungweise auf. Viele von ihnen
erscheinen in Tieren und Pflanzen bald hier, bald dort und gerade
diese Entstehung gleicher chemischer Form an verschiedenen, oft
weit entlegenen Stellen des Systems der Lebewesen zeigt den Zwang
der Bildungsgesetze an.
Die dritte Art von Atomgruppierungen endlich ist auf einen
engeren Bereich der Organismen beschränkt. Zu diesen gehören
z. B. die sauerstoffhaltigen Ringsysteme der Blütenfarbstoffe oder
die besonderen Strukturverhältnisse einzelner Pflanzengifte. Diese
mögen ganz isoliert dastehende chemische Bildungen sein — wahr-
scheinlicher ist es freilich, daß die Beschränkung ihres Vorkommens
in vielen Fällen nur eine scheinbare ist und daß sie in Wirklich-
keit noch unerkannt auch dem Tierreiche angehören.
Nach allen diesen Erfahrungen erscheint die Eigenart der
chemischen Bautätigkeit gewisser Organismen nur als Ausnutzung
einer Bildungsmöglichkeit oder einer Fähigkeit — einer „Potenz“ —,
die im Grunde allen lebenden Wesen eigen ist.
Die Ausnutzung dieser Fähigkeit kann im Laufe der phylo-
genetischen Entwicklung bei verschiedenen Gelegenheiten eingesetzt
haben. Ist ein derartiger chemischer Betrieb erst einmal in Gang
gesetzt, so kann er durch viele Entwicklungsreihen hindurch fest-
gehalten werden. Er kann dann aber wieder verschwinden, um an
anderer Stelle des Tier- oder Pflanzenreichs von Neuem zu er-
scheinen.
Der zuletzt erwähnten Substanz, dem Chitin, ist eine bestimmte
mechanische Funktion zu gewiesen, an der es streng festhält. Es
gibt den Teilen des Körpers eine gewisse Widerstandsfähigkeit und
Festigkeit, kann demnach gelegentlich auch zur Gangbarhaltung der
Luftwege, als Schutzpanzer oder als hartes Zahngebilde und ähn-
liches dienen. Eine solche durchgehende Verkettung von chemischer
Zusammensetzung und physiologischer Verwendung ist aber keine
allgemeine Regel. Der Funktionswechsel biochemischer Pro-
dukte, den ich nunmehr durch einige Beispiele erläutern möchte, ist
besonders deshalb von Bedeutung, weil er in engem Zusammen-
hang steht mit den Umbildungen und Veränderungen, die einem
Molekül unter besonderen Bedingungen zuteil werden und die dann
als Eigentümlichkeit der Spezies dauernd bewahrt bleiben.
Die Atomgruppe, welche zunächst als Beispiel für den Funktions-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften