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A. Kossel:
die kernhaltigen entwicklungsfähigen Zellen untersucht hat, ist sie
nie vermißt worden. Man findet sie in demjenigen Teil des Zell-
kerns, welcher die Chromosomen bildet. Nun wissen wir, daß der
Zellkern der Sitz solcher Vorgänge ist, welche die Zellteilung und
die Neubildung gleichartiger Zellen vermitteln. Wir werden also mit
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Funktion der hier darge-
stellten Atom gruppe auch auf diesem Gebiete zu suchen ist. Genau
präzisieren können wir sie nicht, es genügt für unsere Betrachtung,
zu wissen, daß es sich um eine allgemeine und grundlegende
Funktion der Zelle handelt. Diese Funktion übt die Puringruppe
aus, während sie ein Glied des großen Nucleinsäure-Moleküls bildet.
Nun sehen wir diese Purinstoffe aber auch frei und unabhängig von
der Nucleinsäure auftreten. Das ist z. B. an den Schuppen der
Fische der Fall. Der Silberglanz des Schuppenkleides wird durch
ganz dünne Kristallplättchen hervorgerufen, und diese bestehen aus
einem Purinkörper, dem Guanin, derselben Substanz, welche als
Baustein in der Nucleinsäure zu finden ist. Ebenso ist das freie
Guanin in der Haut vieler Amphibien und Reptilien aufgefunden.
Auch hier ist es an der Färbung und dem Farbenwechsel beteiligt.
Auf eine ähnliche Funktion weist das Auftreten derselben Substanz
in den Augen von Fischen und Amphibien hin. ln einer etwas
anderen Form — nämlich in Verbindung mit drei Sauerstoffatomen
— wird dieser Doppelring im Körper der Insekten verwendet. Die
weiße Farbe der Flügel gewisser Schmetterlinge, z. B. des Kohl-
weißlings, ist durch Harnsäure bedingt und ein ähnliches Purinde-
rivat ruft die gelbe Farbe des Citronenfalters hervor. Bei den Jo-
hanniswürmchen ist unter dem Leuchtorgan eine kreideweiße Schicht
vorhanden, welche als Reflektor dient und den Schein in bestimmte
Richtung zurückwirft, und diese Schicht besteht ebenfalls aus der
Harnsäure, der Verbindung des Purinkerns mit drei Sauerstoffatomen.
Noch andere Funktionen kommen dem Purinkern in dem Ge-
webe bestimmter Pflanzen zu. Hier finden sich zwei oder drei mit
Wasserstoffatomen beladene Kohlenstoffatome an dieses Ringsystem
angefügt und so entstehen Stoffe von ausgeprägt physiologischer
Wirkung: das Theobromin, das Theophyllin und das Caffein, dessen
Formel in obiger R.eihe auch dargestellt ist. Wegen dieser Wirkung^
die für manche Feinde der Pflanze wohl eine Giftwirkung ist oder
die das Gewebe wenigstens unschmackhaft macht, gewähren sie der
Pflanze einen gewissen Schutz und hierin ist offenbar ihre physio-
logische Funktion zu suchen.
A. Kossel:
die kernhaltigen entwicklungsfähigen Zellen untersucht hat, ist sie
nie vermißt worden. Man findet sie in demjenigen Teil des Zell-
kerns, welcher die Chromosomen bildet. Nun wissen wir, daß der
Zellkern der Sitz solcher Vorgänge ist, welche die Zellteilung und
die Neubildung gleichartiger Zellen vermitteln. Wir werden also mit
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Funktion der hier darge-
stellten Atom gruppe auch auf diesem Gebiete zu suchen ist. Genau
präzisieren können wir sie nicht, es genügt für unsere Betrachtung,
zu wissen, daß es sich um eine allgemeine und grundlegende
Funktion der Zelle handelt. Diese Funktion übt die Puringruppe
aus, während sie ein Glied des großen Nucleinsäure-Moleküls bildet.
Nun sehen wir diese Purinstoffe aber auch frei und unabhängig von
der Nucleinsäure auftreten. Das ist z. B. an den Schuppen der
Fische der Fall. Der Silberglanz des Schuppenkleides wird durch
ganz dünne Kristallplättchen hervorgerufen, und diese bestehen aus
einem Purinkörper, dem Guanin, derselben Substanz, welche als
Baustein in der Nucleinsäure zu finden ist. Ebenso ist das freie
Guanin in der Haut vieler Amphibien und Reptilien aufgefunden.
Auch hier ist es an der Färbung und dem Farbenwechsel beteiligt.
Auf eine ähnliche Funktion weist das Auftreten derselben Substanz
in den Augen von Fischen und Amphibien hin. ln einer etwas
anderen Form — nämlich in Verbindung mit drei Sauerstoffatomen
— wird dieser Doppelring im Körper der Insekten verwendet. Die
weiße Farbe der Flügel gewisser Schmetterlinge, z. B. des Kohl-
weißlings, ist durch Harnsäure bedingt und ein ähnliches Purinde-
rivat ruft die gelbe Farbe des Citronenfalters hervor. Bei den Jo-
hanniswürmchen ist unter dem Leuchtorgan eine kreideweiße Schicht
vorhanden, welche als Reflektor dient und den Schein in bestimmte
Richtung zurückwirft, und diese Schicht besteht ebenfalls aus der
Harnsäure, der Verbindung des Purinkerns mit drei Sauerstoffatomen.
Noch andere Funktionen kommen dem Purinkern in dem Ge-
webe bestimmter Pflanzen zu. Hier finden sich zwei oder drei mit
Wasserstoffatomen beladene Kohlenstoffatome an dieses Ringsystem
angefügt und so entstehen Stoffe von ausgeprägt physiologischer
Wirkung: das Theobromin, das Theophyllin und das Caffein, dessen
Formel in obiger R.eihe auch dargestellt ist. Wegen dieser Wirkung^
die für manche Feinde der Pflanze wohl eine Giftwirkung ist oder
die das Gewebe wenigstens unschmackhaft macht, gewähren sie der
Pflanze einen gewissen Schutz und hierin ist offenbar ihre physio-
logische Funktion zu suchen.