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Kossel, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1921, 1. Abhandlung): Über die Beziehung der Biochemie zu den morphologischen Wissenschaften: Rede ... — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.41199#0019
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Über die Beziehung der Biochemie zu den morphologischen Wissenschaften. 19

Ich habe es versucht, aus der unübersehbaren Reihe der
biochemischen Formerscheinungen einzelne herauszugreifen, welche
unseren Verständnis am ehesten zugänglich sind. Es sind dies
diejenigen, welche in das System der uns bekannten che-
mischen Vorgänge eingereiht werden können und deren
Statik und Dynamik mit Hilfe unserer chemischen Theorien be-
arbeitet werden kann. Wir fragen, wie es kommt, daß in der
Pflanze ein besonderes chemisches Gebilde sekundärer Art: das
Caffein, oder die Muttersubstanz des Indigofarbstoffs, oder das
giftige Muscarin auftritt, daß in der Purpurschnecke die Vorstufe
des Purpurs gebildet wird. Wir sehen, daß die Bildung dieser
Stoffe auf mehreren Teilerscheinungen beruht. Erstens auf dem
Vorhandensein eines materiellen Substrats, welches als primärer
Bestandteil in jedem lebenden Teil des Organismus bereit liegt
und dieses ist für das Caffein in den Bestandteilen des Zellkerns,
für das Muscarin im Cholin, für den Indigo und Purpurfarbstoff in
einem der Bausteine des Eiweißmoleküls gegeben. Zur Bildung
dieser sekundären Stoffe gehört aber zweitens ein besonderes Atom
oder eine Atomgruppe, welche der Organismus aus seinem Körper-
bestande oder wie das Brom des Purpurs aus der Umgebung, etwa
dem Meerwasser, entnimmt. Eine dritte Bedingung für die Bildung
der erwähnten Produkte besteht in der Schaffung der Verhältnisse,
durch welche die Veränderung an der richtigen Stelle des Atom-
gebäudes gesetzt wird. Es ist also möglich, den Vorgang der
Bildung des Gaffeins und der übrigen Stoffe in mehrere Teilvor-
gänge zu zerlegen, deren jeder für sich mit wissenschaftlichen
Hilfsmitteln angegriffen werden kann.
Weiterhin gibt die Chemie aber auch die Mittel, um das Ver-
halten und die Wirkung des fertig gebildeten Stoffs zu untersuchen.
Ein Beispiel möge dies erläutern. Ein bevorzugtes Objekt gene-
tischer Versuche ist die Farbe der Blüten. Für eine Verwertung
der Blütenfärbung im Sinne der Vererbungstheorien ist es aber
erforderlich, die Komponenten zu kennen, aus denen sich diese
optische Erscheinung zusammensetzt. Hier setzt die Mitarbeit der
Chemie ein. Die Untersuchungen Willstaetters haben gezeigt,
daß verschiedene unserer chemischen Analyse zugängliche Verhält-
nisse die Färbung beherrschen. So kommen nicht selten mehrere
Farbstoffe nebeneinander in einer Pflanze oder auch in einer Blüte
zur Wirkung, ferner wird die Färbung durch die wechselnde
Reaktion des Zellsaftes beeinflußt, und ebenso wirkt auch die
Menge des Farbstoffs. z*
 
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