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Duhn, Friedrich von; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 1. Abhandlung): Der Dioskurentempel in Neapel — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32138#0015
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Der Dioskurentempel in Neapel.

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man, während anderes, z. B. 18 Granitsäulen, in den Klosterhof
übernommen wurden, wo sie heute noch zu sehen sind. Kirche
und Tempelfundamente sind durch den Architekten Rega in ver-
dienstlicher Weise untersucht worden, der schon 1859 8, alsdann
abermals 1890 9 seine Ergebnisse veröffentlichte, die im Verein mit
den Rechnungsnachweisen irn Neapler Archiv uns über das Ver-
hältnis beider Bauwerke zueinander mit aller nur wünschenswerten
Genauigkeit aufklären. Es ehrt die Pietät der Renaissance, daß
sie den gewiff nicht leichten Versuch wagte, dem großen Kirchenbau
seine stattliche Vorhalle aus antiken Säulen zu erhalten. Auch
anderswo in Italien — iclr erinnere an bekannte Beispiele in Mai-
land und Rom — hatte man ja dasselbe versucht. Aber die
hybride Verbindung hielt den Gefahren des Erdbebenbodens Neapels
nicht stand. Schon um 1631 scheinen St.ücke des antiken Archi-
travs abgestürzt zu sein. Ein verhängnisvolles Erdbeben, das am
5. Juni 1688 Neapel heimsuchte, warf von den acht hohen korin-
thischen Säulen der Vorhalle — 6 in der Front, 2 an der Seite —
vier oder fünf um und damit den größten Teil des Gebälks, nament-
lich aber den Giebel, der mit noch fast vollständigem Figuren-
schmuck also fast gerade so iange wie jenseits des Meeres der Par-
thenon gestanden hatte. Zunächst scheint diesem Unglück voll-
ständige Vernachlässigung gefolgt zu sein, cla Garletti in der ersten
Hälfte des nunmehr folgenden 18. Jahrhunclerts noch Bruchstücke
des Giebelsehmucks in unmittelbarster Nähe des Gebäucles liegen
sah: es ist somit nicht verwunderlich, wenn beim Fundieren benach-
barter Häuser statuarische und anclere Reste zutage traten. Der-
artiges wurde an Liebhaber verkauft, wohl meist Stücke, die sich
bauiich wieder verwerten ließen: jetzt natürlich verschollen. Die
Wiederherstehung cler Kirchenfront hat dann, bis auf zwei mächtige
Säulen, die mit etwas Gebälk zu den Seiten stehen bleiben konnten
uncl über dem Straßengewühl Neapels von der alten Zeit noch be-
redte Sprache führen, die Reste des alten Pronaos beseitigen müssen.

Das in raschen Zügen die Leidensgeschichte des Baues, wie
sie Correra mit eingehendem Fleiß darlegt. Errichtet ist er im
ersten Jahrhundert der Kaiserzeit durch Ti. lulius Tarsos uncl Pe-
lagon Augusti libertus. Der erstgenannte starb vor Vollendung cles
Baues, der zweite führte ihn zu Ende und weihte ihn. Das lernen
wir aus der Inschrift, clie auf dem Architrav stancl und seit Signorili

8 Bull. archeol. napol. n. s. VII, Tav. VI.

9 Rf.ga, Le vestigia clel tempio cli Castore e Polluce. Napoli 1890.
 
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