Die Erneuerung des Hegelianismus.
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ist der Hunger nach Weltanschanung, der unsere junge Gene-
ration ergriffen hat und der bei Hegel Sättigung sucht. Wir
haben hier nicht zu fragen, durch welche Wandlungen der
geistigen Lage, durch welche Erlebnisse der Volksseele, welche
Geschicke des Gesamtlebens diese Stimmung erzeugt worden ist:
genug, sie ist da, und sie entlädt sich mit elementarer Gewalt.
Unsere Literatur, unsere Ivunst, unsere Wissenschaft lassen sie
überall erkennen. Und wenn sich dies Geschlecht aus positivi-
stischer Verarmung und materialistischer Verödung zu geistigen
Lebensgründen zurücksehnt und zurücksucht, ist es da zu ver-
wundern, daß, da ihm keine neue eindrucksvolle Philosophie
geboten wird, es an der Lehre zu haften beginnt, die ihm das
Universum als Entwicklung des Geistes in großen Zügen vorführt?
Gerade in diesem Sinne kann man hei den persönlichen und
den literarischen Formen des Neuhegelianismus vielfach den
Einschlag des religiösen Motives beobachten, das in dem Welt-
anschauungsbedürfnissen einer aufgeregten Zeit noch immer
sich so lebhaft als wirksam erwiesen hat.
Je mehr aber aus der erdrückenden Masse des Einzelnen
und des Äußerlichen die Sehnsucht der Zeit zu einem Gesamt-
sinn aller Wirklichkeit emportauchen möchte, um so faszinierender
wirkt die imponierende Einheit und die grandiose Geschlossen-
heit der systematischen Komposition, worin der Hegelsche
Paniogismus sich darstellt. Sie hat auch zweifellos etwas an
sich, das den ästhetischen Sinn zu befriedigen geeignet ist, und
gerade dieses Moment entscheidet sicher vielfach über Fichte,
Schelling und Herbart hinaus für Hegel. Dazu kommt der
entwicklungsfrohe Optimismus, der seine Lehre durchpulst, das
Vertrauen in der Macht der Vernunft, womit er gegen die düstere
Precligt Schopenhauers vom Elend der Welt obsiegt. Und end-
lich bricht gegenüber dem schrankenlosen Individualismus, mit
dem eine Zeitlang Nietzsche unser Volk berauscht hat, in der
junghegelschen Strömung die Hingabe an eine geistige Gesamt-
heit, an einen vernünftigen und allgemeingültigen Lebensinhalt
kräftig durch.
In diesem Sinne hedeutet die ,,Rückkehr zu Hegel“ ent-
schieden eine Art von Gesundung, und sie wird diese Mission
erfüllen, wenn sie sich freihält von den wunderlichen Äußer-
lichkeiten und von den metaphysischen Übereilungen des alten
Hegelianismus — wenn sie die Schale abzuwerfen und den
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ist der Hunger nach Weltanschanung, der unsere junge Gene-
ration ergriffen hat und der bei Hegel Sättigung sucht. Wir
haben hier nicht zu fragen, durch welche Wandlungen der
geistigen Lage, durch welche Erlebnisse der Volksseele, welche
Geschicke des Gesamtlebens diese Stimmung erzeugt worden ist:
genug, sie ist da, und sie entlädt sich mit elementarer Gewalt.
Unsere Literatur, unsere Ivunst, unsere Wissenschaft lassen sie
überall erkennen. Und wenn sich dies Geschlecht aus positivi-
stischer Verarmung und materialistischer Verödung zu geistigen
Lebensgründen zurücksehnt und zurücksucht, ist es da zu ver-
wundern, daß, da ihm keine neue eindrucksvolle Philosophie
geboten wird, es an der Lehre zu haften beginnt, die ihm das
Universum als Entwicklung des Geistes in großen Zügen vorführt?
Gerade in diesem Sinne kann man hei den persönlichen und
den literarischen Formen des Neuhegelianismus vielfach den
Einschlag des religiösen Motives beobachten, das in dem Welt-
anschauungsbedürfnissen einer aufgeregten Zeit noch immer
sich so lebhaft als wirksam erwiesen hat.
Je mehr aber aus der erdrückenden Masse des Einzelnen
und des Äußerlichen die Sehnsucht der Zeit zu einem Gesamt-
sinn aller Wirklichkeit emportauchen möchte, um so faszinierender
wirkt die imponierende Einheit und die grandiose Geschlossen-
heit der systematischen Komposition, worin der Hegelsche
Paniogismus sich darstellt. Sie hat auch zweifellos etwas an
sich, das den ästhetischen Sinn zu befriedigen geeignet ist, und
gerade dieses Moment entscheidet sicher vielfach über Fichte,
Schelling und Herbart hinaus für Hegel. Dazu kommt der
entwicklungsfrohe Optimismus, der seine Lehre durchpulst, das
Vertrauen in der Macht der Vernunft, womit er gegen die düstere
Precligt Schopenhauers vom Elend der Welt obsiegt. Und end-
lich bricht gegenüber dem schrankenlosen Individualismus, mit
dem eine Zeitlang Nietzsche unser Volk berauscht hat, in der
junghegelschen Strömung die Hingabe an eine geistige Gesamt-
heit, an einen vernünftigen und allgemeingültigen Lebensinhalt
kräftig durch.
In diesem Sinne hedeutet die ,,Rückkehr zu Hegel“ ent-
schieden eine Art von Gesundung, und sie wird diese Mission
erfüllen, wenn sie sich freihält von den wunderlichen Äußer-
lichkeiten und von den metaphysischen Übereilungen des alten
Hegelianismus — wenn sie die Schale abzuwerfen und den