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Windelband, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 10. Abhandlung): Die Erneuerung des Hegelianismus: Festrede in der Sitzung der Gesamtakademie am 25. April 1910 — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32156#0003
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Hochansehnliche Festversammlung!

Der große Anreger und Begründer der europäischen Aka-
demien, Leibniz, wollte dereinst. der Philosophie keine eigene
Stelle in der Akademie zugestehen. Die Aufgabe der Akademie
liegt — im Unterschiede einerseits von dem gelehrten Unterricht,
andererseits von der allgememen Literatur — bei der Spezial
forschung, und für sie mochte Leibniz ein eigenes Gebiet der
Philosophie nicht anerkennen. Vielmehr sollte die Gesamtheit
der Einzelforschungen s..chließlich von selbst der Philosophie in
dem Sinne zugute kommen, wie sie a.ls die zusammenfassende
Gesamtwissenschaft sich damals auffaßte. Das war charakte-
ristisch für die klassische Zeit der dogmatischen Metaphysik.
Sie glaubte alle Erforschung des Einzelnen, alles besondere
Wissen den speziellen Disziplinen überlassen zu sollen und he-
liielt sich selbst. nur ein harmonisierendes Zusammenarbeiten
der Ergebnisse vor. Auch wenn sich dies in dem Maße als
eine ernste begriffliche Arbeit darstellte, wie es bei Leibniz
selbst der Fall war, so hatte es doch eine Art von künstlerischem
Einschlag, wie man ihn später mit dem Ausdruck ,,Begriffs-
dichtung“ bezeichnet. hat, und damit. geriet es zu den belles
lettres in die gefährlich enge Nähe, die für die Philosophie des
ganzen achtzehnten Jahrhunderts und namentlich für die Auf-
klärungsphilosophie charakteristisch geblieben ist.

Durcli Kant haben sich diese Verhältnisse geändert. Die
Plhlosophie ist jetzt eine Spezialwissenschaft mit eigenem For-
schungsgebiet. Sie ist es anerkannterweise zunächst in dem
negativen Sinne, daß sie gern darauf verzichtet, das von den
andern Wissenschaften bereits Erkannte irgendwie ihrerseits
von neuem erkennen oder durch metaphysische Beziehungen
etwa ergänzen zu wollen. Nur nachzüglerische Gewöhmmgen,
an denen es natürlic.h nicht gänzlich fehlt, halten heutzutage
wohl noch an jenen ßestrebungen fest. Unsicherer ist die Formu-
 
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