Metadaten

Schoell, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 15. Abhandlung): Über zwei sich entsprechende Trilogien des Euripides: mit Bemerkungen zur Tetralogie des attischen Theaters — Heidelberg, 1910

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32161#0024
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
24

Fritz Schöll:

Im Oinomaos wirkt Hippodameia mit an dem Betrug des
Pelops, durch den er ihren eigenen Vater im Wettrennen besiegt,
da der Wagenlenker Myrtilos durch Lösung der Rädernaben das
Gespann zu Fall bringt: um des Geliebten willen ist sie mit schuld
an des Vaters Tode.

Im Ghrysippos ist Laios, clen Tvujjurjv exovxa f\ cpuat<; ßiaZkxai
(Fragment 840 N.), verliebt in den Bastard cles Peiops, den jungen
Ghrysippos, den Pelops mehr liebt als seine echtbürtigen Kinder;
er entführt ihn, als er ihn im Wagenrennen unterrichtet, und der
edle Jüngling findet den Tod, aus Scham im Selbstmord oder clurch
Hippodameia, clie ihn als Rivalen ilirer Söhne fürchtet. 44) Laios
aber zieht sich den Fluch des unglücklichen Vaters Pelops zu.

Während wir aber bei diesen beiden Dramen nur in dem Haupt-
inhalt die Anzüglichkeit der obigen Worte aus dem ersten als unmittel-
bar gegeben erkennen können, bewähren sie sich vohends an der uns
erhaltenen, letzten Tragödie, den Phoenissen. Iin Altertum und
bis auf unsere Tage oft gepriesen und oft getadelt, hat dieses
Drama in seinem Ganzen immer wieder Anstoß erregt, ist deshalb
auch viel beschnitten und sogar mit einem sogenannten „Kaiser-
schnitt“ operiert worden, während v. Wilamowitz (Sitzungsberichte
der Berl. Akad. 1903, S. 587 ff.) nachgewiesen hat, daß lediglich
V. 1736 ff. als Dublette zu V. 1710 —1735 zu betrachten sind. Der
neueste, übrigens sehr bescheiden vorgetragene Versuch von Brug-
nola, die Komposition zu erklären (Rivista di filologia 31, 1903,
S. 401 ff.), läuft — wie schon mancher frühere — im wesentlichen
darauf hinaus, daß der Dichter beabsichtigt hätte, in den Phoenissen
alle Schicksale des Labdakidenhauses ini weitesten Umfang zu-
sammenzufassen. Nachdem uns die Defmition gegeben worden ist:
„Eine attische Tragödie ist ein in sich abgeschlossenes Stück der
Heldensage“ usw. 45), ist es nur folgerichtig, von den Phoenissen zu
urteilen: sie sincl „ein besonders großes Stück Heldensage“. Kehren
wir aber zu unserem Thema zurück, so sehen wir am Schlufi der

44) Die spärlichen Fragmente entscheiden nichts über die Todesart, sie
gestatten aber auch nicht den Schluß ex silentio, den Welcker und
O. Ribbeck gezogen haben.

45) Wilamowitz, Ilerakles I, S. 107 : „eine attische tragoedie ist ein
in sich abgeschlossenes stück der heldensage, poetisch bearbeitet in er-
habenem stile für die darstellung durch einen attischen bürgerchor und
zwei bis drei schauspieler, und bestimmt als teil des öffentlichen gottes-
dienstes im heiligtum des Dionysos aufgeführt zu werden“.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften