26
Fritz Schöll:
Dramen der Trilogie, in Euripides’ eigenen Worten wie in den Hand
lungen, entwickelt gefunden.
Es würde den Rahmen dieser Bemerkungen sprengen, wollten
wir alle Einzelheiten anführen, die dieser Auffassung in den Phoe-
nissen zur Bestätigung und Bekräftigung dienen; nur einige Haupt-
sachen wollen wir betonen.
Nichts hat — in den verschiedensten Variationen ausgesprochen
— größeren Anstoß erregt als die Menoikeusepisode 48) und die
Stellung der Antigone am Schluß. 49) Auch diese Teile aber haben
die offensichtlichste Beziehung zu dem Grundthema, wie es im
ersten Stück ausgesprochen ist. Treten — wie im ersten Stück
die Hippodameia mit ihrem Tun — so in den Phoenissen Eteokles
und Polyneikes in den Vordergrund als die Söhne, die sich selbst
und den Ihren wie dem Vaterland die exüiöTri vocrog sind, so fmden
wir daneben, wie im Mittelstück clen Ghrysippos, so hier Menoikeus
und Antigone als Kinder, die, kcxv •fevujvTat rruucppoveg, den Vätern
(neya xaKÖv, das tiefste Leid, durch ihr Traüoq bereiten. Und auch
die grelle Dissonanz, mit der clas Endstück schließt, steht im Ein-
klang mit der Grundstimmung und Absicht der ganzen, herzzer-
reißenden Trilogie.
Und nun gegenüber den trüben und düsteren Gemälden clieser
48) Nur einige Aussprüche ! M. Rapp schreibt in seiner ,,Geschichte
des griechischen Schauspiels“ (1862), S. 118 : „Dieser absurde komplizierte
Selbstmord bildet eine Episode, die mit dem Stück nirgends zusammenhängt,
hat also auch für uns keinen AVert“ usw. Weil in seinen ,,Mudes“ sagt
S. 166 : ,,Le devouement de Menecee ne constitue-t-il pas un episode inutile,
une action dans l’action? . . . nous n’avons pas le temps d’admirer la
noble resolution du fils de Creon ; nous lui en voulons presque, comme ä
un fächeux qui viendrait detourner notre attention, quand nous sommes oc-
cupes d’autre chose. C’est pis encore ä la fm de la piece.“ Christ-Schmid
a. a. 0. nennen den Heldentod des Menoikeus ein „allerdings sachlich über-
flüssiges, aber für Euripides’ praktisch-politischen Sinn bezeichnendes Em-
blem“. Bei einer ähnlichen Auffassung liatte P. Voigt a. a. 0., S. 834,
hinzugefügt, Euripides habe diese angebliche Tendenz „verflacht“ : bei ihm
tritt, im Disput. wie in der Nachrede, eben vor allem der Schmerz des
Vaters in die Erscheinung ! Endlich Wilamowitz, der in dem Programm
,,de Euripidis Heraclidis“ (1882) diese Episode für eine reine Erfmdung des
Euripides erklärt. hatte — dagegen Weil, S. 123f. —, nennt sie in der
Abhandlung von 1903, S. 588, unter den „keineswegs durch Notwendigkeit
verbundenen“ Szenen, die man „auslösen könnte, ohne tief zu schneiden“.
Es wäre leicht, mehr solche Urteile anzuführen, aber überflüssig.
48) Vgl. Weil a. a. 0., S. 167, und viele andere, die teils mit dem
Messer, teils nur mit Tadel den Schluß angreifen.
Fritz Schöll:
Dramen der Trilogie, in Euripides’ eigenen Worten wie in den Hand
lungen, entwickelt gefunden.
Es würde den Rahmen dieser Bemerkungen sprengen, wollten
wir alle Einzelheiten anführen, die dieser Auffassung in den Phoe-
nissen zur Bestätigung und Bekräftigung dienen; nur einige Haupt-
sachen wollen wir betonen.
Nichts hat — in den verschiedensten Variationen ausgesprochen
— größeren Anstoß erregt als die Menoikeusepisode 48) und die
Stellung der Antigone am Schluß. 49) Auch diese Teile aber haben
die offensichtlichste Beziehung zu dem Grundthema, wie es im
ersten Stück ausgesprochen ist. Treten — wie im ersten Stück
die Hippodameia mit ihrem Tun — so in den Phoenissen Eteokles
und Polyneikes in den Vordergrund als die Söhne, die sich selbst
und den Ihren wie dem Vaterland die exüiöTri vocrog sind, so fmden
wir daneben, wie im Mittelstück clen Ghrysippos, so hier Menoikeus
und Antigone als Kinder, die, kcxv •fevujvTat rruucppoveg, den Vätern
(neya xaKÖv, das tiefste Leid, durch ihr Traüoq bereiten. Und auch
die grelle Dissonanz, mit der clas Endstück schließt, steht im Ein-
klang mit der Grundstimmung und Absicht der ganzen, herzzer-
reißenden Trilogie.
Und nun gegenüber den trüben und düsteren Gemälden clieser
48) Nur einige Aussprüche ! M. Rapp schreibt in seiner ,,Geschichte
des griechischen Schauspiels“ (1862), S. 118 : „Dieser absurde komplizierte
Selbstmord bildet eine Episode, die mit dem Stück nirgends zusammenhängt,
hat also auch für uns keinen AVert“ usw. Weil in seinen ,,Mudes“ sagt
S. 166 : ,,Le devouement de Menecee ne constitue-t-il pas un episode inutile,
une action dans l’action? . . . nous n’avons pas le temps d’admirer la
noble resolution du fils de Creon ; nous lui en voulons presque, comme ä
un fächeux qui viendrait detourner notre attention, quand nous sommes oc-
cupes d’autre chose. C’est pis encore ä la fm de la piece.“ Christ-Schmid
a. a. 0. nennen den Heldentod des Menoikeus ein „allerdings sachlich über-
flüssiges, aber für Euripides’ praktisch-politischen Sinn bezeichnendes Em-
blem“. Bei einer ähnlichen Auffassung liatte P. Voigt a. a. 0., S. 834,
hinzugefügt, Euripides habe diese angebliche Tendenz „verflacht“ : bei ihm
tritt, im Disput. wie in der Nachrede, eben vor allem der Schmerz des
Vaters in die Erscheinung ! Endlich Wilamowitz, der in dem Programm
,,de Euripidis Heraclidis“ (1882) diese Episode für eine reine Erfmdung des
Euripides erklärt. hatte — dagegen Weil, S. 123f. —, nennt sie in der
Abhandlung von 1903, S. 588, unter den „keineswegs durch Notwendigkeit
verbundenen“ Szenen, die man „auslösen könnte, ohne tief zu schneiden“.
Es wäre leicht, mehr solche Urteile anzuführen, aber überflüssig.
48) Vgl. Weil a. a. 0., S. 167, und viele andere, die teils mit dem
Messer, teils nur mit Tadel den Schluß angreifen.