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Boll, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 2. Abhandlung): Griechischer Liebeszauber aus Ägypten auf zwei Bleitafeln des Heidelberger Archäologischen Instituts — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32148#0011
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Griechischer Liebeszauber aus Ägypten.

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Zauberwirkung auch sonst vorkommt; antike Beispiele sind mir
nicht zur Hand, aber im deutschen Volksabergiauben fmdet sich,
wie ich aus Wuttkes Buch ersehe, Verwandtes (in einern Beispiel
S. 549 f. kann der Liebeszauber sogar erst nach einem Jahr ver-
wendet werden: „es heißt also warten“, wie der Verfasser bemerkt).
Äbnlich ist es übrigens in der Astrologie, wo nicht selten Fristen
bezeichnet werden, innerhalb deren ein Ereignis zu erwarten ist;
den hnathematicis’ lag freilich das Reclinen besonders nahe. Auch
die deutschen Beispiele sind doch insofern etwas verschieden, als
es sicli darin nicht um eine einzelne schon fest ins Auge gefaßte
Person, sondern allgemein ums Brautwerden oder um zwingende
Liebesmacht eines Burschen 17 handelt. So will ich auch eine dritte
Möglichkeit der Deutung unserer Bleitafel nicht ganz unterdrücken,
obgleich sie dem Schreiber ein sehr fragwürdiges Griechisch zutraut.
Es ist bekannt, daß Siebenmonatskinder nach einem nicht nur bei
den Alten verbreiteten Glauben besondere, ja übernatürliche Kräfte
besaßen; Roscher hat eine R.eihe von Belegen dafür gesammelt. 18
Ist also vielleicht das eui e[TtTa] prjvac; mit eteKe zu verbinden und
will sich Pantus mit dem Zusatz „den Tmesios nach 7 Monaten
gebar“ den höllischen Mächten besonders empfehlen?

Im ganzen darf die neue doppelte Bieitafel wohl als eines cler
interessanteren Stücke ihrer Art bezeichnet werden. Am nächsten
verwandt sincl ihr etwa clie oben genannte Bleitafel aus Hadrumetum
(Audollent, n. 266) ocler die aus Karthago mit cler von einigen
magischen Worten umgebenen Inschrift 'Uratur Sucesa aduratur
amo ret (1. amore et) desideri(o) Sucesi’ (Audollent, n. 227). Indes
zeichnen sich unsere Tafeln aus durch die gute Erhaltung, die
korrekte und klare Schrift, clurch die Form des Diptychons und
durch die direkte Anrede und Namensnennung des Geistes, an clen
clie briefliche Aufforderung gerichtet ist.

17 „Der Bursch tut einen Laubfrosch in einen neuen Topf uncl legt ihn in
einen Ameisenhaufen am Georgitag vor Sonnenaufgang; am nächsten Georgitag
nimmt er die Knöchelchen heraus und bestreicht mit einem solchen Liebeshaken
das Mädchen auf sich zu.“ Man sieht, daß die individuelle Beziehung fehlt. Die
ägyptischen Methoden, wie sie der demotische Zauberpapyrus in London und
Leiden zeigt, sind recht verwandt.

18 Ennead. und hebdomad. Fristen undWochen (Abh. Sächs. Ges., Phil.-Hist.
Kl. XXI, 1903), S. 67.
 
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