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Pagenstecher, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 6. Abhandlung): Niobiden — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32152#0022
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22

Rudolf Pagenstecher :

vermissen wir allerdings die sichtbare Wirkung der Geschosse,
noch ist keine dem läng hinstreckenden Tode verfallen, denn das
ins Ivnie gesunkene Mädchen halte auch ich für nicht zugehörigb 2)
i\_ber bei diesen Mädchengestalten ist doch ungleich melir ge-
geben als hei den noch aufrechtstehenden Brüdern. Leicht
gebückt entflieht die Abb. 9 abgebildete Schwester den Ge-
schossen. Bei Stark ist der Ivopf anders aufgesetzt: er schaut
dort nach rückwärts, so daß die Ähnlichkeit mit der ,,ge-
quälten Psyche“ mehr in die Augen fällt und auch das Motiv
viel lebendiger wird. Ob die schon bei Masner Nr. 866
erwähnte Änderung berechtigt ist, weiß ich nicht. Wir werden
am Schluß unserer Arbeit noch eine Parallele zu dem rück-
wärts gedrehten Kopf kennen lernen.

Für die nächste Schwester (Abb. 13) kenne ich nichts
Vergleichbares, und es ist die Frage, oh der Kopf in seiner
eigentümlichen Stellung richtig angesetzt ist. Der lange Hals
kann allerdings nicht auffallen, denn wir finden ihn an Ca-
nosiner Terrakotten häufig. Das linke Bein ist nicht zugehörig,
das rechte trat nackt aus dem Gewand heraus, ebenso ist die
linke Brust entblößt, alles Anzeichen, die auf sehr hastigen
Lauf schließen lassen. Sie ist zu Tode getroffen und muß
im nächsten Augenblick zusammensinken. Die fölgende Niobide
(Abb. 11) scheint mitten im Lauf im Rücken oder im Nacken
getroffen zu sein. Die rechte Hand griff an den Kopf ; das
Motiv wird man sic.h ähnlich der Florentiner Tochter,
Stark XV, 8h, zu denken haben, doch erinnert das Zurück-
werfen des Oberkörpers mehr an die auf dem Relief Campana
ganz rechts zusammensinkende Gestalt, wie sie sich in über-
triebener Weise auf dem südrussischen Fragment, Sheb. 16 und
dem Sarkophag Stark, Taf. IV, 2, findet.

Gut erhalten und anmutiger ist die in Abb. 12 gegehene
jüngere Schwester. Im eiligen Lauf hat sich das Gewand ge-
löst und der jugendliche Körper ist bis zu den Hüften entblößt
wehrlos den Geschossen preisgegeben. Nach Masner faßten
beide Ilände die Mantelenden, so daß der Ivopf vor dem Hinter-
grund des sich segelartig blähenden Gewandes um so an-
mutiger erschien. Es ist augenscheinlich dieselbe Figur, die
auf dem Pompejanischen Dreifuß, Sheb. 31 unten, die Mitte
einnimmt, und diese trägt einen Pfeil in der rechten Hand.

42) Masnek, 874. Stark, Taf. VIII, 5. Shebelew, Fig. 66.
 
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