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Pagenstecher, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 6. Abhandlung): Niobiden — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32152#0030
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30

Rudolf Pagenstecher :

kleiclnng bilden ein feines dnrchsichtiges Untergewand und ein
faltenreicher Mantel, der vom Oberkörper herabgesunken von
der 1. Hand gehalten, sich, den Unterkörper verhiillend, hinter
dem Riic.ken nach der 1. Seite hinüberzieht, wo er iiber der
1. Schuiter zurückweht. Hinter ihr ist eine prachtvohe Frauen-
gestalt in voller Vorderansicht in die Knie gesunken. Beide
Arme erhebt sie zum Himmel (der r. Arm fehlt) und das leider
nur zur Hälfte erhaltene Antlitz ist ebenfalls emporgerichtet.
Sie trägt den dünnen Chiton mit Überfall, ein Mantel zieht sich
an der 1. Seite zur 1. Schulter hinauf. Auf der anderen Seite
gehört der erhaltene Arm zu einer nach r. fliehenden weib-
licben Gestalt.

Ganz unzweifelhaft sind auch hier Niobiden dargestellt:
es sind die Töchter, die vor dem Idause 66) getroffen zusammen-
sinken. Wie auf dem pompejanischen Marmorbild hat auch das
Haus seine Darstellung gefunden, doch wird hier jedenfalls der
Palast selbst, nicht seine Bühnendarstellung gemeint sein. 67) Die
beiden ganz erhaltenen Gestalten bringen uns wesentlich neue
Typen, während wir in der r. weggebrochenen Niobide eine
nahe Verwandte des Florentiner Mädchens (Stark XV, 7f) ver-
muten dürfen. Eine gewisse Ähnlichkeit verbindet das fliehende
Mädchen unseres Gefäßes mit der „Psyche“ des Terrakottenzyklus,
wie sie sich in der ersten Restauration bei Stark darstellte,
aber clas Wesentliche des Sichduckens fehlt. Wir haben hier
reine Flucht; alles strebt nach vorwärts, sich möglichst bald
in Sicherheit zu bringen; nur der Kopf ist zurückgewandt.

AVer ist die liier kniende Frau? Ist es eine Tochter oder
Niobe selbst? Für diese wäre eine solche Darstellnng unerhört,
denn bis zuletzt beharrt sie auf unseren Kunstwerken und in der
schriftlichen Überlieferung auf ihrem Stolz. Und doch mag man
sich kaum entschließen, in dieser im Verhältnis sehr viel größeren,
matronalen Gestalt eine Tochter zu sehen. Die beiden Mädchen
haben wesentlich kleinere Maße. Ivniende Niobetöchter haben sich
zwar auch unter den südrussischen Tonfiguren erhalten 68), jedoch
keine, die sicli auch nur entfernt mit dieser Darstellung messen
könnte. Aber auch in unserer Scherbe liegt Überlieferung des

ce) Robert, a. a. 0. Das literarische Material bei Stark, S. 97.

67) Wie auf dem Marmorgemälde bei Robert.

68) Si-iebelew, Fig. 15—16a, Taf. II. Auch auf der Jattavase Sheb.,
Fig. 49, Stark, II?
 
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