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F. von Dulm:
bescheidenen Kunst lehrreiche und schöne Reihen gebildet haben.
Von dem großen Bahnbrecher Polyklet bis zum Vollender
Lysipp herab können auch wir noch das Festhalten an alten
Stehungem aber das leise Neumodulieren derselbeip das Schlanker-,
Leichter-Melodischer-Werden an schönen Reihen nackter Statuen
verfolgen. Leider bin ich nicht in der Lage, eine Statue
zu zeigen, die eine unmittelbare Übergangsstufe sein würde
zwischen dem Typus der noch im vollen fünften Jahrhundert
wurzelnden bescheidenen Ivleinbronze Arndts und unserer Hei-
delberger Statuette. Aber z. B. der schlanke Jüngling, den eine
ebenfalls in der Burlington club exposition ausgesteht gewesene
Kleinbronze darstellt (Catal. pl. LIV), mag einen noch auf po-
lykletischem Boden erwachsenen Nachfolger, etwa des polykle-
tischen Epheben Westmacott. (über ihn zuletzt Bulle, Der schöne
Mensch, 2. Aufl. zu Taf. 51; Klein, Österr. Jahresh. XIII, 1910,
137—139: E. A. Gardner, JHSt. XXXI, 1911, 24—30) zeigen,
der mit seinem leichten eleganten Aufbau, dem an der Stand-
beinseite zum Haupt erhohenem linken Arm, dem leicht nach
vorn gehobenen rechten Unterarm klarzumachen geeignet ist,
welchen Weg die polykletische Tradition solcher Jünglinge zu
der lysippisch-sikyonischen Schule hin machte.
Es war nicht dieser direkte Weg, der zu unserer Statuette
führte, sondern ein Parallelweg, und zwar ein höchst merk-
würdiger. Nur noch im Schattenbilde zeigt unsere Statuette die
st.raffe,- strenge, auf Vordersicht berechnete Bildung der pelo-
ponnesischen Athletenschulen. Ein a.nderes weiches Element,
verbunden mit. bewußterem Lebensausdruck, ist neubildend hin-
zugetreten und verleiht dem Figürchen Eigenschaften, die nicht
mehr so sehr den flächigen Körperaufbau und die gespannte
Muskelaktion der agonistischen Schulung zur Geltung bringen
wollen, als eine gewisse Weicliheit der Übergänge, eine Wohlig-
keit des Gesamtdaseins, die über die Athletik und ihre letzten
Ziele innerlich erha.ben ist, und deren äußere Form abzustreifen
beginnt. Nur das Schema in seiner Geschlossenheit bleibt noch
erhalten. Wir werden die Figur uns noch immer ergänzen dürfen
nach jenem Jüngling, auf dem gegen hundert Jahre älteren Vasen-
gemälde, wenigstens im allgemeinen. Das plastische Biid zeigt
natürlich einen knapperen, mehr geschlossenen Umriß als das
gemalte. Der Aktionsa.rm ist steiler gehohen, so daß der Ell-
bogen weniger nacli der Seite ausgreift, als nacli oben das Bild
F. von Dulm:
bescheidenen Kunst lehrreiche und schöne Reihen gebildet haben.
Von dem großen Bahnbrecher Polyklet bis zum Vollender
Lysipp herab können auch wir noch das Festhalten an alten
Stehungem aber das leise Neumodulieren derselbeip das Schlanker-,
Leichter-Melodischer-Werden an schönen Reihen nackter Statuen
verfolgen. Leider bin ich nicht in der Lage, eine Statue
zu zeigen, die eine unmittelbare Übergangsstufe sein würde
zwischen dem Typus der noch im vollen fünften Jahrhundert
wurzelnden bescheidenen Ivleinbronze Arndts und unserer Hei-
delberger Statuette. Aber z. B. der schlanke Jüngling, den eine
ebenfalls in der Burlington club exposition ausgesteht gewesene
Kleinbronze darstellt (Catal. pl. LIV), mag einen noch auf po-
lykletischem Boden erwachsenen Nachfolger, etwa des polykle-
tischen Epheben Westmacott. (über ihn zuletzt Bulle, Der schöne
Mensch, 2. Aufl. zu Taf. 51; Klein, Österr. Jahresh. XIII, 1910,
137—139: E. A. Gardner, JHSt. XXXI, 1911, 24—30) zeigen,
der mit seinem leichten eleganten Aufbau, dem an der Stand-
beinseite zum Haupt erhohenem linken Arm, dem leicht nach
vorn gehobenen rechten Unterarm klarzumachen geeignet ist,
welchen Weg die polykletische Tradition solcher Jünglinge zu
der lysippisch-sikyonischen Schule hin machte.
Es war nicht dieser direkte Weg, der zu unserer Statuette
führte, sondern ein Parallelweg, und zwar ein höchst merk-
würdiger. Nur noch im Schattenbilde zeigt unsere Statuette die
st.raffe,- strenge, auf Vordersicht berechnete Bildung der pelo-
ponnesischen Athletenschulen. Ein a.nderes weiches Element,
verbunden mit. bewußterem Lebensausdruck, ist neubildend hin-
zugetreten und verleiht dem Figürchen Eigenschaften, die nicht
mehr so sehr den flächigen Körperaufbau und die gespannte
Muskelaktion der agonistischen Schulung zur Geltung bringen
wollen, als eine gewisse Weicliheit der Übergänge, eine Wohlig-
keit des Gesamtdaseins, die über die Athletik und ihre letzten
Ziele innerlich erha.ben ist, und deren äußere Form abzustreifen
beginnt. Nur das Schema in seiner Geschlossenheit bleibt noch
erhalten. Wir werden die Figur uns noch immer ergänzen dürfen
nach jenem Jüngling, auf dem gegen hundert Jahre älteren Vasen-
gemälde, wenigstens im allgemeinen. Das plastische Biid zeigt
natürlich einen knapperen, mehr geschlossenen Umriß als das
gemalte. Der Aktionsa.rm ist steiler gehohen, so daß der Ell-
bogen weniger nacli der Seite ausgreift, als nacli oben das Bild