Eros uncl Psyche.
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Tarentiner Tonplatte uncl ein Lokrisches Weihrelief. Zu ihrer
Betrachtung gehen wir über, um später wieder zu Eros und
Psyche z urückzukehren.
II.
Das erste Beispiel,- welches Eros mit einem weibiichen Eben-
bild seiner selbst zusammenfügt, dürfte das Relief sein, welches
wir nach einer im Museum von Tarent käuflichen Photographie
hier abbilden [Taf. Ib]. 35) Eine Frau steht vor uns auf einem
nach links gerichteten zweirädrigen Wagen. Dorisch ist das Ge-
wand, das die linke Hand zierlich rafft. Während die Füße, der
Richtung des Gefährtes entsprechend, im Profil nach links ge-
standen zu haben scheinen, bietet uns der Körper seine volle
Breite dar, der Kopf aber geht scharf nach rech'ts, eine Kon-
trastierung, welche in ihrem strengen Archaismus der reicheren
Ausbildung der altertümlichen Kunst auf unseren Reliefs eigent-
lich nicht mehr ganz entspricht. Ein freundlicb.es Lächeln über-
zieht das Antlitz der Göttin, umspielt den Mund und läßt ein
Grübchen in der Wange erscheinen. Die Masse des Haares, das
ziemliclr kurz nur his zur Schulter fällt, ist allein am unteren
Ende sorgfältiger gegliedert. Die Photographie läßt nicht er-
kennen, ob Abnützung der Oberfläche vorliegt, oder ob etwa
die Malerei hier differenziert hat.
Der mit so liebenswürdigem Lächeln Empfangene ist Hermes.
Eilfertig, zur Reise bereit, setzt er weit ausschreitend den rechten
Fuß auf den Wagen. Er ist nackt., nur ein kurzes Mäntelchen
schlingt sich um seine Schultern und wird an beiden Seiten von
den Armen gehalten. Mächtige Flügel entwachsen den Knöcheln
der Füße und zieren den breiten Reisehut. So steigt der bärtige
Gott zu seiner Gefährtin auf den Wagen.
Seltsam ist das ins Joch geschirrte Gespann: ein Pärchen
iugendlicher Gestalten, nicht mehr in archaisch gewaltsamer
Lebendigkeit die Luft durchlaufend, sondern schwebend in körper-
lichem Gleichgewicht. Da auch das Schema des Schwimmens,
welches den Ivörper in wagerechter Linie ausstreckt, vor dem
Wagen seine Anwendung nicht fmden konnte, griff man lrier, wie
aucli sonst, zu einer Körperhaltung, zu der sich „die Analogie
35) Quagliati, Ausonia, III, S. 189, Fig. 41.
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Tarentiner Tonplatte uncl ein Lokrisches Weihrelief. Zu ihrer
Betrachtung gehen wir über, um später wieder zu Eros und
Psyche z urückzukehren.
II.
Das erste Beispiel,- welches Eros mit einem weibiichen Eben-
bild seiner selbst zusammenfügt, dürfte das Relief sein, welches
wir nach einer im Museum von Tarent käuflichen Photographie
hier abbilden [Taf. Ib]. 35) Eine Frau steht vor uns auf einem
nach links gerichteten zweirädrigen Wagen. Dorisch ist das Ge-
wand, das die linke Hand zierlich rafft. Während die Füße, der
Richtung des Gefährtes entsprechend, im Profil nach links ge-
standen zu haben scheinen, bietet uns der Körper seine volle
Breite dar, der Kopf aber geht scharf nach rech'ts, eine Kon-
trastierung, welche in ihrem strengen Archaismus der reicheren
Ausbildung der altertümlichen Kunst auf unseren Reliefs eigent-
lich nicht mehr ganz entspricht. Ein freundlicb.es Lächeln über-
zieht das Antlitz der Göttin, umspielt den Mund und läßt ein
Grübchen in der Wange erscheinen. Die Masse des Haares, das
ziemliclr kurz nur his zur Schulter fällt, ist allein am unteren
Ende sorgfältiger gegliedert. Die Photographie läßt nicht er-
kennen, ob Abnützung der Oberfläche vorliegt, oder ob etwa
die Malerei hier differenziert hat.
Der mit so liebenswürdigem Lächeln Empfangene ist Hermes.
Eilfertig, zur Reise bereit, setzt er weit ausschreitend den rechten
Fuß auf den Wagen. Er ist nackt., nur ein kurzes Mäntelchen
schlingt sich um seine Schultern und wird an beiden Seiten von
den Armen gehalten. Mächtige Flügel entwachsen den Knöcheln
der Füße und zieren den breiten Reisehut. So steigt der bärtige
Gott zu seiner Gefährtin auf den Wagen.
Seltsam ist das ins Joch geschirrte Gespann: ein Pärchen
iugendlicher Gestalten, nicht mehr in archaisch gewaltsamer
Lebendigkeit die Luft durchlaufend, sondern schwebend in körper-
lichem Gleichgewicht. Da auch das Schema des Schwimmens,
welches den Ivörper in wagerechter Linie ausstreckt, vor dem
Wagen seine Anwendung nicht fmden konnte, griff man lrier, wie
aucli sonst, zu einer Körperhaltung, zu der sich „die Analogie
35) Quagliati, Ausonia, III, S. 189, Fig. 41.