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Pagenstecher, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 9. Abhandlung): Eros und Psyche — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.32171#0039
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Eros und Psyche.

39

Das erste der beiden ist eine römische Terracottagruppe
[Taf. IIIa]. 196) Auf einer Basis stehen die Figuren des Knaben
und des Mädchens, beide fc.it großen Vogelflügeln. Während uns
die bekannten Darstellungen der beiden Liebenden ein ruhiges
Nebeneinander geben, ist an seine Stelle hier lebhafte Bewegung
getreten. 197) Heftig weht das faltige Gewand des Mädchens nach
hinten. In raschem Laufe sind die beiden aufeinander zugeeilt,
wie nach langem Sehnen und Suchen sich endlich fmdend. Der
Arm des Mädchens hält den des Ivnaben umfaßt, dessen Hand
die Brust der Geliebten berührt. Beider Mund verbindet sich
zu innigem Kuß. 198)

Allerliebst ist das zweite Relief [Abb. 1], welches unserem
Pärchen ein noch kindlicheres Alter verleiht. 199) Es ist zweifel-
los in Griechenland entstanden. Die Verwendung des Stückchens
ist nicht klar; zu einem Gefäß kann es kaum gehört haben, da
die Rückwand nicht gekrümmt ist. Zeitlich möchte es einigen
aretinischen Sigillaten am nächsten stehen, die ebenfalls die
kunstvolle Haartracht der „Melonenfrisur“ für die kindliche
Psyche kennen. 200) Auch hier küßt der Ideine Liebesgott sein
Mädchen, das jedoch der Flügel entbehrt, während er selbst in
ihrem Schmucke — ob sie vom Vogel oder vom Sch’metterling
stammen, läßt der Bruch nicht mit Sicherheit erkennen — da-
steht. Indem das Mädchen ihn umfaßt, führt er seine Harid zu
ihrer Wange und drückt einen Ivuß auf ihren Mund. In reizender
Veränderung der soviel würdigeren capitolinischen Gruppe, deren
Motiv sonst dasselbe ist, kehrt „Psyche“ dem Beschauer dieRück-
seite zu. 201)

So hat die Komposition, welche der Meister mit jenem Paar

196) Geschenk von F. Hauser. Die Herkunft cles Stückes war nicht
mehr zu ermitteln. Innen hohl, namentlich am unteren Teil stark zerbrochen.
Schlechte Erhaltung, clie Einzelheilen undeutlich gemacht durch Versinterung.

197) Ein seltenes Motiv.

198) Die Zeitbest.im.mung ergibt sicli vielleicht aus cler Mvinze des
Caracalla (Riggauer Ztschrft. /. Nicmism., 1881, VIII, Abb. 26 auf Taf. 1),
deren Typus unserer Gruppe am nächsten kommen diirftc. Das Mädchen hat
Schmetterlingsflügel.

199) Erworben aus dcr athenischen Sammlung Rhusopnlos. Heller Ton,
ohne Überzug.

200) Mehrere Fragmente : Psyche in einem von Eroten gezogenen Wagen.
Miinchen, Abgüsse in Heidelberg.

201) Das Motiv ist mir sonst nic.ht, bekannt.
 
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