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Gerhard, Gustav A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 13. Abhandlung): Charetos gnomai — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32888#0012
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12

G.A. Gerhard:

liches Distichon mit dem Chares-Vers 22 (γλώσσης μάλιστα κτλ.)
an zweiter Stehe hat W. MEYER vermutungstveise in seiner
Urbinatischen Sammlung von Spruchversen gefunden.sQ
Wir sahen, daß mindestens die spätrömische oder byzan-
tinische Epoche, welche die 'Streitrede' des Menander und Phi-
listion fabrizierte, nicht mehr das Originalwerk des Chares be-
saß, sondern nur noch die Einzelverse, die unter dem Namen
des Menander in die Sammlung der Γνώμαι μονόστιχοι aufge-
nommen waren. An die gleiche sekundäre Quelle ist wohl auch
trotz einer schlagend richtigen und echten Lesung (οργής εκατι)
zu denken, wenn in einem aus Kairo stammenden Diptychon
'später Zeit' auf der einen Seite, von Schülerhand geschrieben,
viermal hintereinander der Chares-Vers 20 erscheint.^) Daß auch
die noch volleren Chares-Exzerpte bei Leuten des fünften und
sechsten Jahrhunderts wie Stobaios und Lydus nicht aus erster
Hand, sondern lediglich aus Florilegien stammten, wäre sicher
selbst ohne den direkten Beweis, den uns bereits fürs vierte
Jahrhundert nach Chr. Gregor von Nazianz gibt.") Der zeigt
sich ja über Chares so wenig unterrichtet, daß er ihn irrtümlich
für einen Dichter von Tragödien hält. Man ahnt und versteht
es: der Verfasser der brauchbaren iambischen Γνώμαι wurde
von den gnomischen Anthologen, wie sie nach Ausweis der
Papyrnstunde schon in ptolemäischer Zeit eifrig am Werk waren,
derart gründlich ausgezogen und zerpflückt, daß darüber sein
Werk selber früh, vielleicht noch in vorchristlicher Ära., ganz
in Vergessenheit kam.
Was die Methode des bald verschollenen Chares betrifft, so
mutet es merkwürdig an, daß unabhängig von ihm genau der
nämliche Plan (nur mit Einführung der 'Sieben Weisen') noch
in spätester Zeit, nicht sehr lange vor dem Jahre 900 nach ChrdQ,
mit entsprechend geringeren Mitteln aufs neue durchgeführt wird.
Ich denke an jene von WöLFFLiN^) edierte iambische Samm-

A 3, 4: W. MeYER a. 0. (Anm. 38) S. 423. Vgl. unsere Bemerkung
zu V. 22.
4°) Veröffentlicht von P. JoucuET und G. LEFEBVRE im Bull. Corr. Hell. XXVIII,
1904, 8. 208.
") Vgl o. S. 4, Anm. 5 und v. WiLAMOwrrz a. 0., S. 608.
42) WöLFFUN, Sprüche der sieben Weisen: Sitzb. bayer. Akad , philos.-pliilol.
u. bist. Kl., 1886, S. 288.
43) WöLFFLiN a. 0., S. 287—298.
 
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